Pleiten, Pech und die neue Demokratie

■ Hamburgs CDU vor einer ungewohnten Übung / Kampfkandidaturen und ein Spitzenkandidat ohne Fortune / Dirk Fischer als moderner Sisyphos     Von Uli Exner

Ungewohnt kommt 81mal. So oft werden die rund 250 CDU-Mitglieder auf der heute beginnenden dreitägigen Vertreterversammlung der Union in geheimer Wahl abstimmen müssen, um ihre Kandidaten für die Bürgerschaftswahlen zu benennen. Vorbei die Zeiten, in denen die Delegierten in zeitsparenden Zehnerschritten die vom mächtigen 17er-Wahlausschuß vorgelegten Kandidatenblöcke abnickten. Alles neu also bei Hamburgs Daueroppositionspartei? Endlich raus aus dem Echternach-Muff? Raus aus der christdemokratischen Dauerkrise?

Es sieht nicht danach aus. Acht Wochen nach dem Neuwahl-Urteil des Verfassungsgerichts hat die CDU zwar eine neue Satzung, aber „eine neue Perspektive“, wie es Parteichef und Bürgermeisterkandidat Dirk Fischer unlängst quer über sein Konterfei drucken ließ, ist nicht in Sicht. Die Union ist voll und ganz mit sich selbst befaßt.

Dafür sorgen nicht nur jene Noch-Bürgerschftsabgeordneten wie Ove Franz, Ulrich Karpen oder Madeleine Göhring, die auf der Wahlvorschlagsliste des Wahlausschusses keine Berücksichtigung mehr fanden und die die neue Satzung zu Kampfkandidaturen nutzen wollen. Dafür sorgen auch nicht allein jene CDU-Mitglieder wie Jürgen Warmke, Stephan Reimers oder Gerhard Kleinmagd, die die Partei in den vergangenen Tagen im Knatsch verlassen haben.

Auch der eigentlich zum neuen Hoffnungsträger auserkorene Spitzenkandidat Dirk Fischer gerät in die parteiinterne Kritik. So meldete die am weiteren Abstieg der Union eigentlich nicht interessierte Welt am Sonntag am Wochenende „CDU in der Krise: Kritik am Wahlkampf Fischers“ und zitierte dann CDU-Funktionäre, die ihrem Vorsitzenden wechselweise „ungeheuren Fleiß, aber falsche Prioritäten“, „mangelnde Greifbarkeit für den Wähler“ oder ein zu defensives Wahlkampfkonzept einschließlich strukturellen Ideenmangels attestierten.

In der Tat agiert Dirk Fischer seit seiner Wahl zum Parteichef im Februar 1992 glücklos. Sein Versprechen, die 1991 auf magere 35 Prozent eingedampfte CDU von Grund auf zu reformieren, konnte er bisher nicht einlösen. Weil er dem alten Echternach-Klüngel zu sehr verhaftet sei, behaupten seine Gegner. Weil die Parteireform eine „Sisyphos-Arbeit“ sei, erklären Wohlmeinende, wohl ohne zu bedenken, daß auch Sisyphos seine Aufgabe nie bewältigen konnte.

Wenig Fortune bewies Fischer auch bei der Suche nach einem Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl. Sämtliche umworbenen Vorzeige-Politiker winkten ab, so daß Fischer sich schließlich selbst „in die Pflicht nehmen“ mußte, ohne seine Pechsträhne beenden zu können. Seine Suche nach imagefördernden Quereinsteigern scheiterte am vorgezogenen Wahltermin oder an den Kirchengesetzen, so daß Fischer froh war, in letzter Minute noch den gerade pensionierten Hapag-Lloyd-Sprecher Hans-Jacob Kruse präsentieren zu können.

Selbst dieser Erfolg brachte nicht die erhofften Lorbeeren. Nicht Fischers Head-Hunter-Qualitäten sorgten für Schlagzeilen, sondern die unzufriedenen Aussteiger.

Die Aufzählung nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“ ließe sich fortsetzen. Von sogenannten CDU-Leistungsträgern, die in den Urlaub fahren, statt Fischer zu unterstützen, über eine ungeschickte PR-Arbeit, die selbst in Wahlkampf-Anzeigen noch die internen Querelen thematisiert, bis hin zu dem beim Fußballspielen gebrochenen Fingerknöchel des Kandidaten, den einige CDUler dazu nutzten, ihrem obersten Hobbykicker zu raten, sich in Wahlkampfzeiten lieber um die Politik zu kümmern, statt sich Zeit fürs Fußballspielen zu nehmen. Zumindest von diesem Vorwurf distanziert sich die taz aufs heftigste .