„Man sollte den Staat entmachten...“

■ Interview mit dem Koschnicks Staatsrat Kurt Rossa über den Verkauf staatlicher Anteile

Krönings prächtiges „Haus des Reichs" am Hilferding-Platz versilbern? Der frühere Bremer Staatsrat Kurt Rossa würde einiges verkaufen, damit Bremen Geld in die Kasse bekommtFoto: Katja Heddinga

taz: Ihre Kolumne in der „Aachener Volkszeitung“ ist ein Plädoyer für den Verkauf von kommunalem Eigentum zur Finanzierung der deutschen Einheit. Warum?

Kurt Rossa: Ich vermisse in dieser historischen Situation einen eigenen, spezifischen Beitrag zu der großen Kraftanstrengung von den Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden. Die unternehmen gar nichts oder zu wenig, um ihre stillen Reserven zu mobilisieren, also einen Beitrag zum Solidarpakt aus eigener Kraft zu leisten. Das ist mein Ansatz.

In Bremen ist der Verkauf von kommunalem Eigentum ein viel diskutiertes Thema für die Sanierung der Staatsfinanzen. Das Gegenargument ist: Der Staat würde auf Macht verzichten und Gestaltungsmöglichkeiten aufgeben.

Das ist genau die Frage: Ob der Staat in dem Umfang, in dem er heute Macht hat, diese Macht wirklich braucht. Ich glaube zum Beispiel nicht daran, daß der Staat Kraftwerke besitzen muß. Ich bin der Ansicht, daß man den Staat entmachten sollte in den Bereichen, in denen er Vermögen hat, das für staatliche Aufgaben nicht gebraucht wird.

Das sagen Sie als ehemaliger Bremer Staatsrat und Kölner Oberstadtdirektor, daß man den Staat entmachten sollte?

Mit allem Ernst. Weil ich weiß, daß in den Händen des Staates viel historisch entstandenes, heute überflüssiges Vermögen steckt.

Die Monopolkommission hat im Juli vergangenen Jahres für den

3sp., 21 Znl hoch

hier das foto

mit dem klassischen haus

Bundestag ein Gutachten gemacht, in dem die Bundesregierung zum Beispiel aufgefordert wird, 39 öffentliche Versicherungsunternehmen zu verkaufen. Ich habe auch angeregt, nach englischem Vorbild die Stadt-und Kreissparkassen zu verkaufen, das könnte 100 Milliarden ergeben. Die Aufgabe der Sparkassen, die ja mal gegründet worden sind als Bank der ganz kleinen Leute, die hat sich erledigt. Das muß der Staat nicht mehr machen...

.. auch die Bremer Sparkasse?

Das betrifft nicht die Konstruktionsform der Sparkasse in Bremen, das ist ja schon ein privatisiertes Gebilde. Ich sehe auch ein großes Problem in der Machtkonzentraion weniger Landesbanken. Da ist auch ein überflüssiges Vermögen in staatlicher Hand.

Sie sind seit 1977 weg aus Bremen. Dennoch die Frage: Was stünde aus ihrer früheren Kenntnis zur Privatisierung an in Bremen?

Die Stadtwerke. Bei der Bremer Lagerhausgesellschaft kann ich mir nicht vorstellen, daß man die privatisieren kann. Das ungeheure Vermögen, das in den Hafenanlagen steckt, ist nicht realisierbar. Aber die Grundstücke, die die Städte nicht brauchen für Wirtschafts-und Wohnungspolitiik, müssen abgegeben werden. Die Bundesbahn muß überflüssiges Gelände hergeben, da liegen gewaltige Vermögen brach.

Und ich plädiere dafür, daß Behördenhäuser nicht in den vornehmsten Citylagen zu sein haben.

Sie waren in Köln bis vor einem Jahr Oberstadtdirektor. Hat

Köln auch Verschuldungsprobleme wie Bremen?

Nein. Solche Vergleiche sind aber töricht. Die Schulden-Probleme Bremens beruhen darauf, daß Bremen jahrzehntelang im Finanzausgleich ungerecht behandelt worden ist. Da bestehen Wiedergutachungsforderungen. Das zweite ist: Man muß auch sehen, wofür Schulden gemacht worden sind. In Bremen kann man sehen, wofür Staat und Stadt Geld ausgegeben haben: Die Stadt ist im Wohnbereich in einer vorbildlichen Verfassung. Ich kann Ihnen in Köln Wohngebiete zeigen, die sich nicht von Bottrop unterscheiden, wo Häuser noch auf Fabrikgeländen liegen. Ich gehe immer wieder voller Bewunderung durch Bremen; was da im Bereich Wohnen geleistet worden ist, ist großartig. Das meine ich, müßten die Bremer auch mal sehen, was mit dem Geld gemacht worden ist.

Einen Fehler hat man gemacht: Man hat sich mit der Universität verhoben.

Jede Großstadt hat eine Universität.

Ja, aber die Kraft, solche Universitäten zu finanzieren, haben die großen Städte nicht. Die Stadt Köln hat die Fachhochschule, die Universität, hat die deutsche Sporthochschule und die Musikhochschule Rheinland und zahlt keine Mark dafür. Aber Köln hat 80.000 Studenten als Wirtschaftsfaktor. Deshalb ist der Vergleich von Verschuldung zwischen Großstädten wie Köln und dem Land Bremen ein Blödsinn.

Von liberaler Seite wird gesagt, die Effektivität der Verwaltung leide unter den weitreichenden Mitbestimmungs-und Blockade-Regelungen des Personalvertretungsgesetzes.

Das kann ich nicht beurteilen. Das Gesetz ist ja zu meiner Zeit entstanden. Das beste daran ist, daß es schwer ist, personalpolitisch in Bremen zu schmuddeln, viel schwerer als in Köln.

Obwohl man in Bremen reihenweise Beispiele für SPD- Filz und Klüngel hat...

Sicherlich. Aber in Bremen ist es auch für einen Spitzenpolitiker relativ schwer, seine Nichte in den gehobenen Dienst zu bekommen, wenn sie nur ausreichende Zeugnisse hat.

Erwin K. und Ute Scheuch, beides Soziologen und CDU- Mitglieder, haben am Beispiel Kölns eine Diskussion über Klüngel und Filz in Parteien und Verwaltung mit großem öffentlichen Wirbel begonnen...

Auch mit Erfolg. Ich hatte damals gesagt: Ihr werdet nichts erreichen, weil sich die Basis nicht schämt. Aber die Scheuchs haben etwas erreicht, in der CDU in Nordrhein-Westfalen ist eine große Reformdiskussion in Gang gekommen.

Trifft das, was die beiden Scheuchs schreiben?

Ganz und gar. Die 30 Seiten über Köln, das stimmt alles. Int.: K.W.