Die Mittelstands-Revoluzzer Von Michaela Schießl

So wahr Clementine Ariel liebt, der Geist des Weines uralt ist und lila Pausen zart versuchen: Auf Togal ist Verlaß, auch abseits schmerzender Hirne. So will es der Chef Günther J. Schmidt, so will es auch die Firmenphilosophie: „Wir tun alles für eine demokratische Gesellschaftsordnung.“ Dieses wertvolle Kleinod sieht Schmidt derzeit akut gefährdet – durch verantwortungslose, korrupte Politiker, auf die, bruttosozial gesehen, ganz und gar kein Verlaß mehr ist. Damit dieser empörende Fakt jedem klar wird, greift der Togal- Chef zu unkonventionellen, umstürzlerischen Mitteln: Er schaltet Anzeigen, wie sie selbst der Spiegel (S. 91) bislang nicht kannte.

„Wenn wir den Hund des Nachbarn beißen, Firmengelder veruntreuen, Zusagen nicht einhalten, unter Eid falsch aussagen, Steuern hinterziehen, einen Verkehrsunfall verursachen, gesundheitsschädliche Produkte vertreiben, dann sind wir haftbar und werden bestraft, sogar mit Gefängnis. Gewisse Politiker dagegen machen falsche Versprechungen und Aussagen, verschwenden unsere Steuergelder, bereichern sich am Staat, reisen auf Kosten der Steuerzahler. Haften die Vertreter des Volkes für gar nichts und mit welchem Recht???“ Unterschrift:Günther J. Schmidt, Togal-Werk München.

Vergeblich sucht der ausgefuchste Leser nach dem Togal-Präparat, umsonst fahndet er nach verschlüsselten Produktinformationen. Die volkstümlich-biedere Firmen- Message ist – anders als Benettons United-Schocktherapie oder Esprits Geistesblitze – im vollen Ernst politisch gemeint. Der neuste Psycho-Kauftrick einer ausgebufften Werbeagentur? Peinliches Anbiedern an Volkes Sprache und Mobs Meinung zum Wohle der Kopfschmerzpille? „Nein, nein, nein“, beteuert Manfred Schmitz vom Togal-Vorstand. „Wir wehren uns nur, daß Staatsdiener das Land als Selbstbedienungsladen mißbrauchen.“ Die Volksparteien befänden sich in Lethargie, keiner denke ans Bruttosozialprodukt, Kohl sei selbstgefällig. Auslöser für den Protestfeldzug war der ungeheuerliche Vorgang, daß Kohl statt billiger russischer Flugzeuge kostspielige Boeings erstand und in New York für 20 Millionen Mark eine Botschaft kaufte. Schmitz: „Wo wir das Geld so gut für das eigene Entwicklungsland Ost brauchen!“ Keinen Augenblick länger will er sich das bieten lassen, immerhin sind nächstes Jahr Wahlen. „Wir rütteln die kleinen Leute auf und die mittleren Betriebe, die unter der Bonner Bürokratie zugrunde gehen. Denken Sie nur an die unnütze Postleitzahlenreform! Allein die Briefbögen kosten Millionen.“

All dieser Schindluder macht ein uneigennütziges Handeln verantwortungsbewußter Firmen unverzichtbar, gerne opfert Schmitz den Werbeetat, um das Land vor dem Untergang zu retten. Und siehe da, die mutige Tat rechnet sich: „Viele Anrufer wollen unsere Produkte verwenden, falls der Staat sie boykottiert.“ Also doch: Polit-Togal als geniale Absatzidee? Schmitz dementiert, aber ein klitzeklein wenig wurde schon kalkuliert. „Es gibt eine Studie, die sagt, daß Käufer weniger am Produkt interessiert sind als an der sozial-politischen Haltung der Firmen.“

Und wehe dem, der lacht über das Engagement: „Jeder Erfinder gilt zunächst als reif für die Verrücktenanstalt. Erst die Geschichte beweist, was für große Menschen sie waren.“