Ohne Wasser und Brot

Mit einer neuen gewitzten Strategie will die Londoner Polizei den Schwarzhändlern vor den Toren von Wimbledon das Handwerk legen  ■ Aus London Antje Passenheim

Da soll einer der Londoner Polizei vorwerfen, sie suche nicht unermüdlich nach neuen Wegen: Wenn es um den Schutz von Tennisfans vor aufdringlichen Ticket-Dealern geht, so zeigt sich jedenfalls jetzt in Wimbledon, scheut sie auch vor den grausamsten Mitteln nicht zurück. Nach jahrelangem Tüfteln wartete Scotland Yard jetzt mit einer neuen Radikaltaktik auf, die ebenso hart wie simpel klingt: Schwarzhändler werden künftig schlichtweg ausgehungert.

Während sich drinnen Blaublütige und Weißgedreßte rund um die Courts die Bäuche mit Erdbeeren und Champagner vollschlagen, soll den dunklen Schnäppchenjägern vor dem Stadion die Grundlage für ihre Arbeit entzogen werden – und zwar solange, bis sie knurrenden Magens das Feld räumen. Um die Logik dieser Strategie einzuhalten, suchen die Polizeikräfte ihre Alliierten insbesondere in den Imbiß- und Getränkewagen rund um das Gelände des „All England Club“. Ausgemachten Ticket-Dealern nämlich sollen die Besitzer strikt ihre Hamburger und Erfrischungsdrinks verwehren. Chief-Inspector Des Wyke steht voller Überzeugung hinter dieser List. „Wir hoffen“, erklärte er, „daß sie die Schwarzhändler ohne Essen und Trinken so lange in der stechenden Sonne darben lassen, bis die schließlich aufgeben und nach Hause gehen.“

Zwei Faktoren allerdings berücksichtigt diese Strategie nicht. Würde sie sich vielleicht als afrikatauglich erweisen, läßt sie jedoch die englischen Wetterverhältnise außer acht. Bereits am Nachmittag des ersten Spieltags mochte die Wolkendecke über Wimbledon sich nicht an das Polizeigesuch halten. Auch mit der Findigkeit der Schwarzhändler hat Scotland Yard sich schwer verkalkuliert. „Ich bringe mir sowieso immer meine eigenen Sandwiches mit“, triumphierte einer von ihnen laut – spätestens da bekamen es auch die anderen mit.

Und dennoch: 27 Schwarzhändler hatte die Polizei noch vor der Mittagspause ausgemacht. Wie in jedem Jahr finden sie ihre Opfer unter den Tennisfans, die oft schon Tage vorher ihre Zelte rund um den All England Club aufschlagen, um dort auf Eintrittskarten zu lauern. Bereits um acht Uhr morgens stehen rund 1.500 Fans vor den Schaltern an und hoffen auf offizielle Tickets. Um den sichtlich weniger ausgehungerten Andre Agassi gegen den Portugiesen Joao Cunha-Silva zu sehen, blätterten einige bis zu 500 Mark hin. „Das ist noch wenig gegen den Wucher vom letzten Jahr“, so ein Polizist. „Fürs Finale wechselten Tickets für 4.000 Pfund (damals rund 12.000 DM) den Besitzer. Um es mild auszudrücken: Das ist doch eine Sauerei.“

Ein Händler sieht das anders: „Wenn ich mir eine Dose Bier im Supermarkt kaufe, ist das billiger, als wenn ich das Bier in einem Pub trinke. Wenn ich sie in der Wüste kaufe, muß ich wiederum für die Dose mehr hinblättern. Ist doch logisch.“ Für die uniformierten Schwarzhändler-Jäger auf ihren Mountainbikes war dies jedoch kein Grund, nicht jedesmal dazwischenzufunken, wenn ein Ticket- Dealer offensichtlich vor einem Geschäft mit einem Kunden stand. Zum ersten Mal in der Geschichte des Wimbledon-Schwarzmarkts darf die Polizei in solchen Fällen einschreiten, um Kunden darauf hinzuweisen, daß sie überteuerte Preise für Tickets zahlen, die womöglich noch gefälscht sind.

Gefahr für die Dealer lauert außerdem aus einer weiteren Ecke: Um das alljährliche Katz-und- Maus-Spiel diesmal zu gewinnen, hat Scotland Yard eine Spezialeinheit ausschwärmen lassen: Mit Kameras bewaffnet, sollen die Beamten auf Beweisfoto-Jagd gehen. Im Schnellverfahren besorgen sie sich dann gerichtliche Verfügungen aus dem High-Court, um den Erwischten das Handwerk zu legen.

Spätestens am Ende der Woche jedoch wird Scotland Yard vor einem weiteren Problem stehen: Dann nämlich, wenn sich herumgesprochen hat, in welch schwindelerregende Höhen der Schwarzmarktpreis für ein Käsebrötchen und eine Flasche Bier unter Hunderten von ausgemergelten Ticket- Dealern gestiegen ist.

Männer: Becker - Wolkow 7:6 (7:3), 6:1, 6:3; Stich - Stolle 4:6, 6:1, 7:5, 6:4; Leconte - Prinosil 6:4, 6:4, 6:4; Agassi - Cunha-Silva 5:7, 6:3, 6:2, 6:0; Krajicek - Eltingh 6:4, 6:4, 6:4; Black - Kilderry 7:5, 6:0, 6:3; Foster - Herrera 6:4, 6:3, 6:4; Tieleman - Simian 6:3, 6:4, 3:6, 6:4, Rafter - Nelson 7:6 (7:4), 6:4, 6:2, van Rensburg - MacLagan 6:7 (3:7), 6:4, 6:2, 6:2; Korda - Gilbert 3:6, 6:3, 6:3, 6:2, Olchowski - Palmer 7:6 (7:5), 6:3, 6:2, Krickstein - Washington 6:7 (10:12), 6:4, 6:0, 7:6 (7:5), Rostagno - Ondruska 6:2, 2:6, 2:6, 6:4, 7:5; Hlasek - Petchey 7:6 (7:3), 4:6, 6:7 (3:7), 6:2, 10:8, Sampras - Morgan 6:4, 7:6 (7:5), 6:4

Frauen, 2.Runde: Graf - Wood 6:2, 6:1; Appelmans - Frankl 6:2, 6:3; Martinez - Wiesner 6:1, 4:6, 6:1; Capriati - Smylie 4:6, 6:3, 6:2; Sawamatsu - K. Malejewa-Fragniere 6:3, 6:3; Kelesi - McQuillan 7:6 (7:5), 6:4; Fendick - Wasserman 6:1, 6:3; Sukova - Farina 6:4, 6:2; Schultz - Rubin 4:6, 6:2; 6:2; Magdalena Malejewa - McNeil 7:6 (9:7), 6:4; Brioukhowets - Provis 7:5; 6:4; McGrath - Grossman 6:4, 1:6, 6:3; Basuki - White 7:5, 6:3; Sanchez-Vicario - Neiland 7:6 (7:5), 6:0, Stafford - Coetzer 6:3, 6:2, Paradis-Mangon - Kroupova 6:0, 6:0; Raymond - Arendt 6:2, 6:3