Das Medium ist der Lehrkörper

■ Doku aus dem Lehrerjournal „Unterrichtsmedien“

Gute Medien sind (...) für mich Medien, die den Lehrer zum Lehren provozieren, z.B. die leere Tafel und das Stück Kreide; der auf dem Flohmarkt gefundene Walroßzahn, in den ein Seemann vor 150 Jahren auf der Rückfahrt aus der Arktis ein Bild vom Walfang geritzt hat; sperrige Objekte und Materialien, die der schnellen Einordnung in unsere Gedanken- Schubladen widerstehen.

Schlechte Medien sind Medien, die den Schüler „erschlagen“, weil sie seine Aufnahmekapazität überfordern und dadurch Langeweile und das Gefühl der Beliebigkeit produzieren: die stapelweise in die Stunde mitgebrachten Overhead- Folien, die dem Lehrer helfen, schnell mit dem Stoff durchzukommen, ohne daß der Stoff bei den Schülern angekommen wäre; die unsortierte Flut von Arbeitsblättern – Medien als Stellvertreter für unsere eigene Belehrungssucht! (...) Lehrer sollten das buntscheckige Medienangebot nicht mißbrauchen, um sich hinter diesen Medien zu verstecken.

(...) Der Lehrer sollte seinen Körper häufiger und bewußter als Lehr-Mittel einsetzen: Indem er etwas vorträgt, vormacht, vorsingt, vorzeigt; indem er mit seinem Körper und dem der Schüler ein „Standbild“ baut, mit dem die eigene Haltung (z.B. zum Thema Rechtsradikalismus) sinnlich- handgreiflich ausgedrückt wird; indem er durch Blickkontakte, durch Gestik, Mimik und Bewegung im Klassenraum provoziert und dramatisiert. Dies fällt uns schwer.

Viele haben verlernt, den Körper methodisch einzusetzen; manchen ist schon die Idee ein Graus! Nur noch wenige tragen selbst eine Ballade vor; noch weniger trauen sich, in der gymnasialen Oberstufe eine selbst ausgedachte Geschichte zu erzählen. Warum eigentlich?

Der Einsatz der gängigen Medien (Filme, Bücher, Bilder, Modelle) schafft – und dies ist ein Vorteil – eine gewisse Unabhängigkeit vom Lehrer. Aber es besteht auch die Gefahr, daß die Unabhängigkeit in Distanziertheit und Beliebigkeit umschlägt. (...) Vor 30 Jahren forderte Heinrich Roth, den Schülern zur „originalen Begegnung“ mit Bildungsinhalten zu verhelfen. Wenn die Mediatisierung der Schule noch weiter fortschreitet, könnte es erforderlich werden, die „originale Begegnung“ der Schüler mit dem Lehrer einzuklagen. Hilbert Meyer

Textauszüge aus dem „Friedrich Jahresheft XI 1993“, Friedrich Verlag, Seelze