: Die „Arbeiterpartei Kurdistans“, PKK, steht mit dem Rücken zur Wand
■ Trotz schwerer Verluste im Kampf gegen die türkische Armee setzt Abdullah Öcalans Organisation weiter auf Krieg
Seit Wochen schon ist eine großangelegte Operation der türkischen Armee gegen Partisanen der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) im Gange. Mehrere tausend Guerilleros der PKK sollen sich in Türkisch-Kurdistan aufhalten. Die türkischen Politiker setzen auf eine „militärische Vernichtung“ der Guerillaorganisation. Alle Zeichen deuten darauf hin, daß die türkische Armee auch die Grenze überschreiten und mutmaßliche PKK- Angehörige in Irakisch-Kurdistan bekämpfen will.
Die Botschaftsbesetzer und Geiselnehmer in Europa weisen auf die aktuelle Situation in Kurdistan hin. „Wir wollen mit unseren Aktionen die Weltöffentlichkeit auf die Barbarei in Kurdistan aufmerksam machen“, heißt es in einer Erklärung, die gestern von der kurdischen Nachrichtenagentur Kurd-Ha, die enge Beziehungen zur PKK pflegt, verbreitet wurde. „Die Vernichtungsoperationen des türkischen Staates gegen das kurdische Volk gehen weiter. Jeden Tag wird Kurdistan mit Kriegsflugzeugen bombardiert.“
Die PKK ihrerseits führt Anschläge gegen Armee-Einheiten und öffentliche Beamte und Angestellte durch. Auch sogenannte kurdische „Kollaborateure“ wurden umgebracht. Die PKK hat auch angekündigt, daß alsbald touristische Zentren in der Türkei Ziel ihrer Anschläge sein werden. Die PKK steht mit dem Rücken zur Wand, was auch der Grund für die Botschaftsbesetzungen sein dürfte.
Dabei war die „marxistisch-leninistische“ Organisation, die 1984 unter Führung von Abdullah Öcalan den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat aufnahm, in den vergangenen Jahren zu einer ernsten Bedrohung für den türkischen Staat geworden. Die Zahl der bewaffneten Kämpfer stieg stetig an, und die PKK schaffte es in großen Teilen Türkisch-Kurdistans, die Mehrheit der Kurden für ihre Politik zu gewinnen. Das kurdische Frühlingsfest Newroz entwickelte sich zu einer Manifestation der kurdischen Zivilbevölkerung gegen den türkischen Staat.
Nach Anschlag auf Zivilisten politisch diskreditiert
Doch während die PKK politisch an Einfluß gewann – was sich auch darin niederschlägt, daß eine Reihe PKK-naher Publikationen heute in der Türkei legal erscheinen können –, wurde ihr militärischer Aktionsradius zunehmend enger. Ein Guerillakrieg gegen die türkische Nato- Armee war nicht zu gewinnen. Der Angriff der türkischen Armee auf PKK-Lager in Irakisch-Kurdistan hat der Organisation schwere Verluste zugefügt.
Die veränderten Bedingungen führten dazu, daß PKK-Chef Öcalan, der die Organisation von der libanesischen Bekaa-Ebene aus führt, im März 93 einen einseitigen Waffenstillstand und eine politische Wende verkündete. Er wolle sich fortan politisch für die Sache der Kurden einsetzen, sagte Öcalan damals. Der einseitige Waffenstillstand brachte die türkischen Politiker in Zugzwang, und die politischen Kräfte in der Türkei, die eine Liberalisierung der Kurdenpolitik forderten, erhielten Auftrieb. Der von den türkischen Politikern als „Terroristenchef“ und „Kindermörder“ verfemte kurdische Partisanenchef war erneut Medienstar, der die Politik in der Türkei mitbestimmte. Doch der Anschlag einer PKK-Einheit nahe der Stadt Bingöl hat die PKK politisch diskreditiert. 35 Reisende wurden barbarisch ermordet. „Nieder mit der PKK“, „Nieder mit den Mördern im Parlament“, riefen Türken im westägäischen Denizli während der Beerdigung der Soldaten. Die nationalistischen Falken in der türkischen Politik griffen die Empörung auf und erhielten Auftrieb. Anfang Juni wurde schließlich der Waffenstillstand von Abdullah Öcalan formell aufgehoben. „Der Krieg wird weitergehen“, verkündete Öcalan. Ömer Erzeren
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen