Das Aushängeschild am seidenen Faden

■ Unter jedem Dach ein „Ach!“ (1): das Kulturzentrum Lagerhaus / Integrationsarbeit im Viertel, mit Händen und Füssen

Im Herbst kommen sie alle zusammen. Die Frauen von „Mobile“, der Bewegungsgruppe; die Musiker aus den unterirdischen Kellern; die türkischen, die deutschen Jugendlichen; die Leute aus dem Cafe, aus dem Kioto, aus der Medien- Coop, eben die Aktiven aus dem Lagerhaus und ihre Gäste. Ein kurdischer Mitarbeiter organisiert das große multikulturelle Fest im Hause.

„Sowas wird es künftig wohl nicht mehr geben“, sagt Uli Pollkläsener, Sprecher des hauseigenen Trägervereins. Denn der Kurde arbeitet auf ABM — und damit wahrscheinlich auf verlorenem Posten. Und mit ihm etwa 20 weitere KollegInnen im Lagerhaus. Durch ihren drohenden Weggang verliert das Ostertor „einen Integrationsort“, und eine ganze Reihe kultureller und ökologischer Projekte.

Nach der Streichung fast aller ABM-Stellen geht es auch für die Lagerhäusler ums nackte Überleben. Für viele zeichne sich ein „Ausstieg auf Raten“ ab, sagt Pollkläsener: Erst werden einige Mitarbeiter wohl „ehrenamtlich“ weitermachen. Aber sehr lange werde das sicher niemand durchhalten, wenn nicht von städtischer Seite Hilfe komme — und danach sieht es zur Zeit nicht aus: Mit dem bisherigen Ansatz der Kulturdeputation für den 94er Haushalt — 600.000 Mark plus Geld für Projekte — werde dem Lagerhaus künftig nur etwa die Hälfte dessen zur Verfügung stehen, was bisher aus den verschiedensten Quellen des Bremer Haushalts floß.

Der neue, feste Haushaltstitel ist da nur ein schwacher Trost. Denn das Bremer Kulturgeld wird die fehlenden staatlichen ABM-Mittel „kaum auffangen können“. Und wenn die engagierten Lagerhaus-Leute gehen, „fallen eben auch bestimmte Leistungen weg“.

Zum Beispiel: Theaterstücke im Cafe — anfangs eine tragende Säule im Lagerhaus-Kulturbetrieb, nun kaum noch zu bezahlen. Auch Konzerte wird es weniger geben — und wenn, gehen sie dann „voll auf die Knochen der Musiker“, sagt Pollkläsener, denn bestimmte Gagen werden nicht mehr zu bezahlen sein. Stärker noch wird es all jene Projekte treffen, die keinen unmittelbaren, kommerziellen Nutzen haben. Was z.B. in der Kinder- und Jugendinitiative geleistet wird, läßt sich eben nicht in Mark und Pfennig umrechnen. Das „Projekt zum Abbau von Ausländerfeindlichkeit“ bringt Jugendliche unterschiedlichster Herkunft zusammen, täglich. Sie kicken gemeinsam, sie reiten im Hollerland, und sie holen auch mal die Senatorin für Kultur und Ausländer-Integration an den runden Tisch, um über ihre Probleme zu reden.

„Wir wollen das machen, was Jugendliche wirklich interessiert“, sagt Mit-Initiator Uli Barde, „und ohne Zwang Begegnungen möglich machen. Mit Reden erreicht man sowieso immer nur dieselben Leute.“ Das Projekt besitzt bundesweit Modell-Charakter und wird derzeit mit fünf Stellen vom Bundesministerium für Arbeit unterstützt. Und ist damit ebenso vom Streichkonzert des Staates betroffen wie alle anderen Initaitiven. „Dieser Laden ist inhaltlich eigentlich genau zugeschnitten auf Trüpels Ressort“, sagt Pollkläsener. Kulturarbeit im Viertel und Ausländer-Integration gehören weiter zu den Perspektiven des Lagerhauses.

Jetzt scheint die Stadt ihr Vorzeige-Modell den Bach runtergehen zu lassen, wenn der Haushalt wie geplant beschlossen wird: „1994 wird das Jahr, in dem wir durch die Hölle gehen.“ tom