„Prostitutionsverbot streichen“

■ Bremer Oberstaatsanwältin: Dienstleistungen gesellschaftlich anerkennen

Der Strafrechtsparagraph „Ausübung der verbotenen Prostitution“ (184a StGB) soll gestrichen und Dienstleistungen von Prostituierten gesellschaftlich anerkannt werden. Das forderte die Bremer Oberstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer beim 6. Internationalen Symposion „Zur Reform des Sexualstrafrechts“ im Bremer Innovations- und Technologiezentrum. Ihre Kritik: Bislang werden fast ausnahmslos Frauen durch den Tatbestand der Ausübung verbotener Prostitution verfolgt, im wesentlichen und aktuell in Bremen: Drogenabhängige Frauen. Dabei mischt ein Freier beim Geschäft natürlich kräftig mit: Juristisch aber werde er bislang nicht belangt, so die Oberstaatsanwältin.

Die Verfolgung von Freiern scheitere am mangelnden Interpretationswillen der Kernfrage: Sind Freier notwenige Teilnehmer bei der Ausübung verbotener Prostitution und damit automatisch am Straftatbestand beteiligt? „Zum Nachweis der verbotenen Prostitution gehört schon bloßes Auf- und Abgehen auf dem Bürgersteig und das Warten auf Kundschaft in erkennbarer Weise“, erklärte die Juristin. Insofern erfordere der Tatbestand der Ausübung verbotener Prostitution nicht notwendig mehrere Teilnehmer. „Daß die Freier aus den Kommentaren zum Strafrecht aus der Verfolgung herausgenommen worden sind, ist bislang noch nicht hinreichend begründet worden“, betonte Graalmann-Scheerer. Nichtsdestotrotz wird diese Interpretation munter angewendet: Graalmann-Scheerer hat Fälle von 1981 an nachgeschlagen und ausschließlich Frauen als Verurteilte in den Akten gefunden.

Auch wegen Beihilfe zur Ausübung verbotener Prostitution werden Freier bislang nicht belangt. Begründung: „Der Tatbestand setzt das Merkmal der Beharrlichkeit, also der Wiederholung in mehreren Fällen voraus.“ Selbst wenn man einen Kunden in flagranti mit einer Prostituierten erwischt, müßte man ihm „Beharrlichkeit“, also gleich mehrere Fälle nachweisen, „und das ist so gut wie ausgeschlossen.“

Ebenfalls in die juristische Sackgasse führt der Straftatbestand Erregung eines öffentlichen Ärgernisses. Der richte sich gezielt gegen provozierende sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit (wie beispielsweise bei Exhibitionisten), ein Ärgernis liege außerdem nur dann vor, wenn „mindestens ein Beobachter“ beteiligt ist und sich verletzt fühle. „Polizisten mögen zwar bei einem solchen Anblick erstaunt sein, sind aber in der Sache nicht betroffen“, erklärte Graalmann-Scheerer. Voraussetzung sei ein „wissentliches und absichtliches Handeln“.

Schlechtere Karten haben Freier auf dem Sektor der Ordnungswidrigkeiten. Bußgeld muß derzeit zahlen, wer als Teilnehmer an der Ausübung verbotener Prostitution dingfestgemacht werden kann. Insofern können Freier immer als Teilnehmer verfolgt werden, „was aber in der Praxis so gut wie nie passiert“.

Konsequenz: Das Strafrecht soll die Prostitution freigeben, die Frauen müssen zivilrechtlich besser geschützt werden. „Strafrecht soll bei uns als ultima ratio eingesetzt werden, die Frage nach Prostitution ist aber vor allem mit moralischen Maßstäben verbunden.“

mad