Bremen schont den Grünen Punkt

■ Niedersachsen will das Duale System kippen / Bremen hält sich zurück, weil noch nicht viel gesammelt wird

Während das niedersächsische Umweltministerium dem „Dualen System Deutschland“ (DSD) lieber heute als morgen den Gnadenstoß versetzen würde, ist die Stimmung in Bremen weitaus entspannter. Umweltsenator, Entsorgungsbetriebe und Verbraucherzentrale in Bremen schauen zwar kritisch auf den „Grünen Punkt“, wollen aber nichts überstürzen. Der Grund: Weil erst ein Drittel der Bremer Haushalte an das Kunststoffrecycling des „gelben Sacks“ angeschlossen sind, wird auch noch nicht viel Kunststoff gesammelt. Im Gegensatz zu Niedersachsen erstickt Bremen deshalb noch nicht in gesammeltem Plastikmüll.

In Bremen haben die BEB sich mit der Einführung des „gelben Sacks“ Zeit gelassen, weil man die BürgerInnen umfassend informieren wollte. Beim Umweltsenator ist man stolz auf die „guten Verträge“ mit dem „Dualen System“, die eine Verfolgung des Abfalls ermöglichten: „Wir können genau überprüfen, wohin der Müll geht“, meint Uwe Lahl, Staatsrat im Umweltressort. Bremens Rückständigkeit in Sachen Grüner Punkt hilft durch geringe Sammelquoten dem Dualen System, aber nicht der Umwelt. Denn der Plastikmüll von siebzig Prozent der Haushalte wird in der Müllverbrennungsanlage verfeuert.

In Niedersachsen dagegen ist der „Grüne Punkt“ seit langem ein Renner; die Bevölkerung sammelt eifrig Plastik. Mit dem Erfolg, daß DSD auf riesigen Kunststoffbergen sitzt, die wegen fehlender Recyclingkapazitäten nicht abgebaut werden können. Wie ihre Kollegin Martini in Rheinland-Pfalz hat die niedersächsische Umweltmininsterin Monika Griefahn (SPD) dem DSD mit dem Widerruf der Freistellungsverfügung für die Rücknahme von Kunststoffen im Handel gedroht. Das würde bedeuten, daß die KundInnen den Verpackungsmüll im Laden zurücklassen könnten — und das wäre das Ende des „Dualen Systems“.

„Wir sind verwaltungstechnisch so weit, daß wir jetzt die Freistellung widerrufen könnten“, sagt Eva-Maria Rexing vom Umweltministerium in Hannover. Laut Verpackungsverordnung müssen derzeit 30 Prozent der Kunststoffe eingesammelt und neun Prozent verwertet werden. Das DSD hinkt dabei weit hinterher: In einer Erklärung des Umweltministeriums in Hannover wird dem DSD vorgeworfen, es sei „nicht geeignet und in der Lage, im Hinblick auf Kunststoffverpackungen die Anforderungen der Verpackungsverordnung zu erfüllen.“ Jährlich würde das System 200.000 bis 300.000 Tonnen Abfall als „Überhangsmenge“ vor sich herschieben. „Wir meinen es ernst“, sagt Rexing. „Wir wollen, daß die Produzenten weniger Verpackungen herstellen und nicht mehr Recyclingkapazitäten. Es wäre schön, wenn das der Anfang vom Ende des Dualen Systems wäre.“

„In zwei Monaten haben wir die gleichen Schwierigkeiten hier in Bremen, dann habe ich die Schweißperlen auf der Stirn“, sagt Uwe Lahl. Er setzt auf eine Koordinierung mit den anderen Ländern und dem Bund. In einer Sonderkonferenz der Umweltminister im August solle ein abgestimmtes Vorgehen beraten werden, so Lahl. „Es gibt drei mögliche Varianten: entweder man gibt der Kunststoffindustrie nach und sammelt gar keinen Kunststoff mehr; oder man verstärkt das chemische Recycling, das heißt, die Kunststoffe werden in ihre Bestandteile aufgelöst und wiederverwertet. Oder, drittens, man ergreift drakonische Maßnahmen gegen Kunststoffverpackungen.“ Lahl favorisiert diese „Reduzierung an der Quelle“, befürchtet aber, daß sich die Variante des chemischen Recycling durchsetzen wird. „Es ist ja mehr als nur ein technisches Problem. Die politische Zukunft von Umweltbundesminister Töpfer hängt da dran. Bei den Ländern gibt es einen extremen Problemdruck, so daß es Ergebnisse geben muß.“

Moderater als ihre KollegInnen in Hannover reagieren auch die MitarbeiterInnen der Verbraucherzentrale in Bremen auf den „Grünen Punkt“. Die Zentrale in Hannover hatte das System als „gescheitert“ und „Betrug am Verbraucher“ bezeichnet und den Widerruf der Freistellungserklärung von der Rücknahme gefordert.

Frauke Lafleche von der Bremer Verbraucherzentrale dagegen sieht zur Zeit keine Alternative zum „Dualen System“: „Wenn jetzt alle ihr Zeug zum Händler zurückbringen, dann bricht alles zusammen. Unter dem Chaos leiden dann besonders die kleinen Läden, und wenn die eingehen, leiden auch die Verbraucher.“ Bernhard Pötter