„Gefallen, ermordet, vergast, umgekommen“

■ Sachverständigenanhörung des Bundestags-Innenausschusses in Bonn zur Neuen Wache: Pro und Contra zur Vergrößerung der „Pieta“ / SPD fordert Baustopp

Die Gestaltung der künftigen Zentralen Gedenkstätte des Bundes in der Neuen Wache in Berlin bleibt umstritten. Bei einer Sachverständigenanhörung des Bundestags-Innenausschusses in Bonn gab es am Montag abend das erwartete Pro und Contra zu dem besonders von Bundeskanzler Helmut Kohl befürworteten Plan, in der von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Gedenkstätte unter den Linden eine Vergrößerung der „Pieta“ von Käthe Kollwitz aufzustellen.

Der Bielefelder Kunsthistoriker Prof. Reinhart Koselleck verwies darauf, daß die „Pieta“ Ausdruck des Christentums sei. Damit würden jüdische Trauernde ausgeschlossen. Demgegenüber sagte der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Prof. Christoph Stölzl, die „Pieta“ sei ein Werk mit Tradition, deren Botschaft jeder gleich verstehen könne. Die Darstellung einer trauernden Mutter mit ihrem toten Sohn sei „zeitlos, aber nicht harmlos“. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstler, Dierk Engelken, sprach sich dafür aus, einen Wettbewerb auszuschreiben. Damit erhielten auch zeitgenössische Künstler eine Chance, mit ihren Werken die zentrale Gedenkstätte des vereinigten Deutschland mitzugestalten.

Stölzl verwies in seinen einleitenden Worten zur Anhörung darauf, daß nach Ansicht der Bundesregierung bei der Gestaltung der Gedenkstätte eine deutliche Trennung zwischen Tätern und Opfern nicht möglich und daher auch nicht gewollt sei. Das Gedenken solle gleichermaßen denen gelten, die im Konzentrationslager, im Bombenhagel auf deutsche Städte oder an der Front gestorben seien. Kritiker hatten gegen die geplante Inschrift „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ eingewandt, damit werde der Gegensatz zwischen Tätern und Opfern mißachtet.

Die SPD-Abgeordneten Peter Conradi und Freimut Duve forderten nach der Anhörung die Bundesregierung auf, einen Baustopp für die Gedenkstätte zu verhängen, um Gelegenheit zu geben, die Konzeption neu zu überdenken. Kaum einer der Verbände, die sich seit Jahren mit den schwierigen Fragen einer solchen Gedenkstätte befassen, seien angehört worden. „Weder der Zentralrat der Juden noch der Zentralrat deutscher Sinti und Roma, weder die Opfer der Euthanasiepolitik noch die verfolgten Homosexuellen hatten bisher die Chance, mit der Bundesregierung über die Konzeption zu diskutieren“, erklärten Conradi und Duve.

Auch die Zweifel an der Kollwitz-Skulptur hätten sich in der Diskussion verstärkt. Es sei fraglich, ob ihre christliche Symbolik das Grauen der Menschenvernichtung im 20. Jahrhundert zum Ausdruck bringe. „Schon im Zweiten Weltkrieg waren die Mütter ebenso Opfer wie die Söhne.“ Die vorgeschlagene „Allerweltsformel“ sei zu schwach. Bedenkenswert sei dagegen die von Koselleck vorgeschlagene Formel: „Gefallen, ermordet, vergast, vermißt, umgekommen“. Problematisch ist aus Sicht der SPD auch die geplante Aufstellung von zwei Statuen der Preußischen Generäle Scharnhorst und von Bülow im Umfeld der Neuen Wache. dpa