■ Neuer Auftrieb für die Fahndungsfetischisten
: Dreht sich die Gewaltspirale wieder?

Das eiserne Schweigen der Karlsruher Bundesanwälte läßt nichts Gutes erahnen. Durchsuchte Wohnungen, festgenommene und wieder freigelassene vermeintliche RAF-UnterstützerInnen, die ungeklärten Details vor und während der wilden Schießerei in Bad Kleinen – der Generalbundesanwalt verweigert jeden Kommentar. Gilt es Erfolge zu feiern, ist von Stahl sonst nicht so zimperlich. Wenn der Innenausschuß heute in Bonn zusammentritt, haben dessen Mitglieder allen Grund, von Stahl in die Zange zu nehmen und seine Nachrichtensperre „aus ermittlungstaktischen Gründen“ unter die Lupe zu nehmen.

Bedauerlicherweise ist aber zu erwarten, daß der Innenausschuß selbst ein altes Ritual vollziehen wird. Wie auch immer sich der genaue Ablauf der Aktion in Bad Kleinen darstellen wird, die Festnahme des mutmaßlichen RAF-Kommandomitglieds Hogefeld wird als großer Erfolg verbucht werden. Das wird all denen, und nicht nur im Innenausschuß, Auftrieb geben, die sich vehemnt gegen eine politische Lösung des Phänomens RAF-Terrorismus ausgesprochen haben. Als Anfang letzten Jahres der damalige Justizminister Klaus Kinkel die nach ihm benannte Initiative zur vorzeitigen Haftentlassung mehrerer RAF-Gefangener auf den Weg brachte, zog er nur die Konsequenz aus dem jahrelangen Mißerfolg der Fahndung. Verfassungsschützer, später auch Politiker waren zu der Einsicht gelangt, es müsse nach alternativen Wegen zur Beendigung des RAF-Terrors gesucht werden. Kanzler Helmut Kohl gab der Kinkel-Initiative nur widerwillig seinen Segen. Er folgte nicht eigener Einsicht, sondern der Intervention höchster Vertreter aus den Wirtschaftsverbänden. Die Deeskalationserklärung der RAF im April 1992 wurde anschließend auch nicht als Chance gedeutet, nach nunmehr 23 Jahren des bewaffneten Kampfes den Terrorismus vermittels einer „politischen Lösung“ zu beenden. Die Aprilerklärung wurde vielmehr als Schwäche der RAF gedeutet. Nachdem den Fahndern nun die Festnahme eines lange gesuchten RAF-Mitgliedes geglückt ist, werden die Bonner Sicherheitspolitiker wieder in ihren alten Irrglauben von der Allmacht der Fahndung verfallen. Im Superwahljahr 1994 wird sich zudem kaum einen Politiker finden, der sich im Wahlkampf als RAF-Verhandlungspartner vorführen läßt.

Zieht der Staat seine ausgesendeten Entspannungssignale zurück, wird die RAF das als die Fortführung des von ihr beklagten „Ausmerzverhältnisses“ werten müssen. Damit steht aber auch die Deeskalationserklärung, wonach die Guerilla-Truppe auf tödliche Attentate verzichten will, zur Disposition. Es gibt keine Alternative zum Kinkel-Plan. Wer vor allem auf Fahndungserfolge setzt, nimmt in Kauf, daß die Gewaltspirale sich erneut dreht. Wolfgang Gast