■ Cash & Crash
: Jubel mit Vollgas

Berlin (taz) – Die paar tausend Kurzarbeitenden bei VW haben ja nun Zeit, Börsenzeitungen zu studieren. Es hätte ihnen gestern gewiß Spaß gemacht. Den Job in Wolfsburg sind sie sowieso bald ganz los, warum nicht gleich die Arbeitnehmer-Anteile hinterherschmeißen?

Am Montag hätte sich das gelohnt, gestern auch noch. Aus durchweg aufgeheitertem Frankfurter Börsenhimmel kam die Nachricht, daß ausgerechnet VW-Aktien einen wahren Kurssprung geschafft haben. Sie stiegen an diesen zwei Tagen um 11,40 Mark auf 370,20 Mark. Auch andere Autoaktien zogen mit, die weltweite Absatzkrise der Branche scheint sich mit umgekehrten Vorzeichen an der deutschen Börse zu spiegeln. Alle wollen die Krisen-Cupons haben, scheint es. Spinnen die?

Tun sie nicht. Angenommen, die VW-Aktionäre mit Zwangsfreizeit hätten ihre paar Aktien gestern wirklich verkauft, was sollten sie dann mit dem Geld tun? In die Gewerkschaftskasse einzahlen? Gleich versaufen? Das käme wohl so ziemlich auf dasselbe hinaus. Sinnvollere Geldanlagen gab es am Wochenanfang nämlich kaum. Festverzinsliche Staatspapiere sind praktisch ausverkauft, wegen übermäßiger Nachfrage hat die Türkei ihre ursprünglich auf 500 Millionen Mark begrenzte Anleihe auf dem deutschen Markt gleich um 250 Millionen erhöht.

Mit plötzlicher deutscher Türkenfreundlichkeit hat der Run nichts zu tun, die Schuldscheine werden mit 8,75 Prozent verzinst – deutlich über den Leitzinsen, die der Zentralbankrat morgen in seiner Sitzung in Leipzig möglicherweise neu festlegen wird. Alle rechnen mit einem weiteren Trippelschritt nach unten, Bundesbankchef Schlesinger wird es schwerfallen, nicht mitzugehen; sein Nachfolger Hans Tietmeyer hat gesagt, er wolle die Zinsen „nicht künstlich hoch halten“.

Also rein in die Aktien, aber in welche? Die Nachfrage war groß, wer schon Industrie- und Bankenwerte besaß, wollte sie natürlich nicht ausgerechnet jetzt loswerden. Blieben die Pleitepapiere der Autobranche, die plötzlich doch noch ein Geschäft versprachen. Auch BMW-Werte nahmen deshalb kurzfristig um 1,4 Prozent zu, der deutsche Aktien-Index DAX stieg am Montag auf über 1.700 Punkte.

Jenseits dieser psychologischen Marke beginnt in Frankfurt offiziell die gute Laune. Man sollte das Jodeln aber wohl doch nicht so übertreiben wie Wolfgang Peters, der in der FAZ über das neuste BMW-Modell schreibt: „Das ganze Auto verkörpert die einfachen Tugenden des bayrischen Mannes, seine Überlegenheit ist naturgegeben wie die Unabhängigkeit des bayrischen Volkes.“ A Schmarrn, wer hat, soll sofort verkaufen, runter kommen sie immer. Niklaus Hablützel