„Eine gute Mischung finden!“

■ Ein Gespräch mit Res Bosshart, ab der Spielzeit 94/95 neuer künstlerischer Leiter auf Kampnagel, über die Führung eines der größten Theater der Welt, die Kooperation auf dem Gelände und seine Ansprüche an das Freie Theater

taz: Sie wollten ursprünglich einmal eine Million mehr Subventionen haben, damit Sie die Kampnagel-Leitung übernehmen, jetzt sind es 500.000 Mark geworden. Werden sie trotzdem kommen?

Bosshart: Ich habe nur 600.000 Mark mehr gefordert, das ist dasselbe, was die jetzige Leitung haben wollte, und es ist völlig klar, daß man diese 600.000 Mark braucht. Ich finde es sehr schade, daß Hans Man in't Veld dieses Geld noch nicht bekommt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit dem jetzigen Etat Kampnagel noch ein Jahr weiterführen kann. Ich bin froh, daß man mir jetzt zumindest die 500.000 Mark mehr zugesagt hat. Damit kann man das schon machen. Aber es ist völlig klar, daß wenn man eine internationale Produktionsstätte machen will auf Kampnagel, die auch eine internationale Ausstrahlung hat, das man dafür schon 7,wasweißichwieviele Millionen braucht.

taz: Daß heißt, sie glauben, daß man mit den ihnen zugebilligten Mitteln keine Produktionsstätte aus Kampnagel machen kann? Was bedeuten würde, daß Kampnagel weit mehr selber produziert, als es das bis jetzt tut.

Bosshart: Darüber möchte ich momentan noch nicht sprechen, weil dazu müssen wir uns auf Kampnagel erst intern finden, um zu sehen, was dort möglich ist.

taz: Sie haben aber schon die Zielsetzung, daß durch Koproduktionen mit anderen Theatern, etwa mit dem TaT in Frankfurt oder dem Hebbel-Theater in Berlin, größere Produktionen auf Kampnagel erstellt werden können?

Bosshart: Ich denke, das ist eine gute neue Form, um mit Freien Gruppen zusammenzuarbeiten, und ich finde es ganz wichtig, daß das auch auf Kampnagel stattfindet.

taz: Haben Ssie denn bereits Kontakt aufgenommen zu den auf Kampnagel arbeitetenden Freien Gruppen, die dort ja ein wesentlicher Bestandteil und nicht immer ganz einig mit der künstlerischen Leitung sind?

Bosshart: Natürlich kenne ich einige Gruppen in Hamburg und ich kenne auch die Leute. Mit denen spreche ich natürlich über das Gelände.

taz: Werden Sie eigene Leute mitbringen oder wollen Sie hauptsächlich mit denen arbeiten, die bereits in Hamburg sind?

Bosshart: Darüber möchte ich im Moment noch nicht sprechen.

taz: Werden Sie die vielen institutionalisierten Festivals im Kampnagel-Spielplan fortführen?

Bosshart: Darüber möchte ich im Moment auch noch nichts sagen.

taz: Warum sind Sie so vorsichtig mit inhaltlichen Äußerungen? Sie haben sich doch mit einem Konzept beworben?

Bosshart: Ich denke es ist jetzt einfach noch nicht die Zeit dazu. Es gibt jetzt noch eine Saison mit Hans Man in't Veld und ich denke es ist früh genug, wenn ich irgendwann in der Saison dann mit Hans sehe, was eigentlich möglich ist. Das, was ich in dem Gespräch mit der Kommission gesagt habe, das war ersteinmal eine Vision. Das waren Sachen, zu denen habe ich gesagt, die würde ich machen, ohne genau zu wissen, wie das hier mit dem Budget aussieht. Und es ist doch völlig klar, daß man davon große Abstriche machen muß, aber diese Abstriche will ich erst machen, wenn ich gesagt habe, was ich eigentlich will.

taz: Aber daß man von Visionen Abstriche machen muß, das weiß doch jeder. Dennoch gibt es ein berechtigtes Interesse vom neuen Leiter zu erfahren, wie seine Vision überhaupt aussieht.

Bosshart: Aber das ist doch klar. Natürlich ist es viel für Hamburg eine Kulturstätte zu machen, die produziert, die internationale Beachtung findet und die sich im Rahmen bewegt von Hebbel-Theater, TaT, von ähnlichen Einrichtungen in Belgien, Frankreich oder auch Zürich. Ich finde es ganz wichtig, daß sich Kampnagel darin einreiht und Bedeutung bekommt. Es gibt da natürlich Unterschiede und es ist mein Bedürfnis, auf Kampnagel nicht nur eine internationale Renommierstätte einzurichten. Die Freien Hamburger Gruppen sind schon sehr wichtig.

taz: Welches war Ihre Motivation, sich bei Kampnagel zu bewerben?

Bosshart: Ich mache jetzt seit acht Jahren Festival in Zürich und nach dieser Zeit dachte ich, wäre die Zeit reif, mir mal etwas anderes zu suchen. Dann hat mich Hamburg gereizt. Hamburg ist für mich eine der schönsten Städte Deutschlands. Und dann natürlich das Gelände, das ist schon sehr vielversprechend. Ich weiß, daß es dort viel Probleme gibt, aber das sind Schwierigkeiten, die mich eigentlich eher anziehen als abstossen.

taz: Kampnagel ist ja eines der größten Theater der Welt. Ich denke, da braucht man einiges Standing, um dort ein gutes Programm zu machen.

Bosshart: Nicht nur Standing. Gerade wenn man davon spricht, daß es das größte Theater der Welt ist, was ich ja auch glaube, dann muß man eben auch sehen, daß die finanzielle Ausstattung dem in keiner Weise entspricht. Trotzdem ist es natürlich eine Herausforderung, in den vier Hallen ein interessantes Programm zu machen. Und ich möchte, daß das Atmosphärische auf dem Gelände für Wert befunden wird.

taz: Muß man, um Kampnagel wirklich zu einem Magneten zu machen, nicht ein wesentlich populäreres Programm machen?

Bosshart: Ich bezweifle, daß man mit einem populäreren Programm auf Kampnagel ein volleres Haus hat. Wenn man sich die ungleich höhere Ausstattung der Festivals ansieht, sieht man, daß es eine Frage des Geldes ist, ob man das Haus vollbekommt. Obwohl es Festivals natürlich immer leichter haben, das sehe ich auch hier in Zürich. Aber natürlich geht es auf Kampnagel darum, ein gute Mischung von populären und experimentellen Sachen zu finden.

taz: Die Findungskommission hat ja empfohlen, daß der neue Leiter die unterschiedlichen Aktivitäten des Geländes, also außer dem normalen Spielbetrieb die Festivals, das Jugendtheater und die Künstler, stärker unter seine Fittiche nehmen soll. Ist das auch ihre Vorstellung?

Bosshart: Ich kann dazu nur sagen, wenn jemand die künstlerische Leitung über das Gelände übernimmt, dann muß er auch die Möglichkeit haben, diese Verantwortung wahrzunehmen.

taz: Bis jetzt waren die Festivals ja autonom und das Jugendtheater sollte es ursprünglich auch werden. Wollen Sie diese Autonomie aufheben?

Bosshart: Das ist die Frage, ob es eine totale oder eine beschränkte Autonomie gibt. Aber das wird dann in der nächsten Zeit besprochen werden. Ich kenne ja auch all diese Leute.

taz: Verstehen Sie sich eigentlich als Intendant? Das ist ja immer ein kleines Reizwort auf Kampnagel gewesen.

Bosshart: In meinem Vertrag steht, ich werde angestellt als künstlerischer Leiter. Wenn ich als Intendant hätte angestellt werden wollen, dann hätte ich darauf bestanden, daß das auch in meinem Vertrag steht.

taz: Wissen Sie eigentlich um die anstehende Randbebauung des Geländes und wie wollen Sie sich dazu verhalten?

Bosshart: Ich habe mich mit dem Verwaltungsleiter länger unterhalten und er hat mich darüber informiert, aber dazu kenne ich jetzt die ganzen Zusammenhänge zu wenig, um eine klare Vorstellung zu haben, was da auf mich zukommt.

taz: Wie empfinden Sie die Freie Theaterszene momentan? Befindet sie sich eher in einem produktiven oder stagnierenden Prozeß?

Bosshart: Ich kann das nicht so verallgemeinernd sagen, weil ich immer wieder Ecken oder Gegenden entdecke, wo das Freie Theater sehr innovativ ist. Aber ich denke nicht, daß die Freie Szene in letzter Zeit mehrheitlich sehr fortschrittlich ist. Das Schielen auf die Staatstheater ist schon härter geworden. Das nehme ich wahr und das ärgert mich. Wenn es einem Regisseur einer Freien Gruppe mit seinem Theater nur darum geht, daß er sich für das Staatstheater profiliert, dann gefällt mir das nicht. Dann sollen die Leute sich eben beim Staatstheater bewerben und bewegen. Das Freie Theater hat einfach so viele Vorzüge, wenn die nicht ausgenützt werden, dann interessiert es mich nicht.

taz: Werden Sie selber inszenieren?

Bosshart: Die nächste Zeit bestimmt nicht.

taz: Es ist aber nicht so, daß Sie nur als künstlerischer Leiter herkommen, ohne eigene Inszenierungsansprüche?

Bosshart: Doch, zur Zeit kann ich mir das sehr gut vorstellen.

Fragen: Till Briegleb