Auf Wallfahrt

■ ...mit den rüstigen „Grandmothers“

Jaaa, genauso wollen wir's haben: diesen dreckigen Gitarrensound, diese wieselflinken Soli, diese komischen, kniffligen Breaks. Und diese gar lustigen Verse: „Take off your clothes when you dance.“ Da lacht die reife Jugend im Publikum und schüttelt den Bierbauch. So liebt die Gemeinde ihren Zappa. Auch, wenn ER gar nicht da ist. An seiner statt, als Stellvertreter des Gitarrengottes quasi, touren seine Mitspieler von einst durch die Welt, immer noch und immer wieder, ohn' Unterlaß, um SEINE Botschaft zu verkünden: „Take your clothes off when you dance.“ Haben wir da gelacht! — warum eigentlich?

„Weil es die beste Musik ist, die Frank je geschrieben hat“, sagt Jimmy. „Shit, it's still good music“, brummelt er müde in sein Bier. Unter der Deckenbelechtung in der Garderobe des „Modernes“ sinken seine Augenringe noch tiefer. Jimmy Carl Black muß es wissen. Seit 1964 trommelt er seine wunderschön vertrackten Takte bei den „Mothers Of Invention“ - lange, bevor Zappa kam und dann wieder ging. Zappa macht heute in Neuer Musik, aber Jimmy und seine Kumpels können einfach nicht aufhören. Als „Grandmothers“ spielen sie heuer, 55- bis 60jährig, mit steifen Gliedern ihr altes Lied einfach immer weiter.

Und die alte Leier zieht noch immer bei den Fans. Daß Zappa und die „Mothers“ sich längst in den Haaren liegen, alter Tantiemen halber — egal. Am Reliquienstand im „Modernes“Foyer reißen sich die Königstreuen um „rare“ Aufnahmen, schwarze Live-Mitschnitte, T-Shirts uswusf. — alles nur echt mit dem Konterfei des Meisters, wie er (anno '68) so wunderbar böse in die Kamera grinste.

Und also prangt sein Kopf auch auf den Konzert-Plakaten im Jahre '93. Das ist denn auch der ganze Sinn des lebenslangen Unternehmens der Rock-Großmütter: So zu tun, als sei nichts gewesen. Als gäbe es kein MTV mitsamt seiner kuschelweichen Benetton-Message; als habe keinen Punk, keine New Wave gegeben und auch nicht den lieben, langen Rest der Rockgeschichte, bis hinab zum entfleischlichten Tekkno-Gehacke.

Nein: Beim alljährlichen Zappa-Klassentreffen soll alles noch so sein wie früher. Da darf geschwitzt werden, gesoffen und gelästert. Hosen runter, Schwanz 'raushängen lassen und Herrenwitze reißen, dazu ein paar herrlich lahme Grooves von Jimmy und seinen Kumpanen. Das macht Laune. Selbst, wenn die Großmütterlein schon mächtig schnaufen und wenn die 5/8 -Takte klappern. „So wie Er zu spielen, ist sowieso unmöglich“, tröstet sich der Fan aus Aurich. Man muß halt nach Vermögen feiern, vor allem: sich selbst. Solange es eben geht. Und das kann dauern: „Your Grannies love you forever“, ruft Jimmy den Lieben zum Abschied zu. Es wird schon nicht der letzte sein. Thomas Wolff