Vorschlag

■ „Jonah Who Lived in The Whale“ – ein Film von Roberto Faenza

Seine Mutter sagte ihm immer, wenn er Angst habe, solle er sich an Jonah erinnern, der vom Wal gefressen wurde und wieder frei kam. Eine schöne Geschichte, an die Jonah später oft denken mußte. Im Krieg. Jonah ist das Kind jüdischer Eltern. Das glückliche Familienleben in Amsterdam wird durch die Verschleppung in ein KZ im Zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen.

„Jonah Who Lived in The Whale“ ist weniger ein Film über den Holocaust. Es ist ein Film über das Juden-Kind Jonah, das im Krieg lebt und ihn nicht versteht. Im Lager kämpft er um die Anerkennung der älteren Kinder im KZ. Wer dazugehören will, muß dem deutschen SS-Mann die Zunge herausstrecken, oder man läßt sich in die Leichenhalle einsperren.

Die fassungslos-hysterische Reaktion der Mutter auf die Machtkämpfe der Kinder stößt auf kindliches Unverständnis. Wir spielen doch nur. Für Jonah wird der Aufenthalt im Lager auch zu einer Konfrontation mit der Tradition seines Volkes. Die jüdischen Lieder sind ihm fremd, er versteht kein Hebräisch und verweigert sich den Bräuchen seiner Religion. Das brutale Rasieren der orthodoxen Juden lockt ihn aus Neugier und Spannung an. Seine große Hoffnung Palästina ist nur abgelauscht. Eigentlich weiß Jonah nicht so genau, warum dieses Wort soviel Glück verheißen soll.

Jonahs Vater stirbt im KZ. Einmal konnte er ihn vorher noch sehen. Die Mutter hatte dem SS-Mann Zigarren für zehn Minuten hilfloser Gemeinsamkeit gegeben. Jonah stört. Wie soll man dem Kind sexuelle Bedürfnisse erklären?

Schließlich die unverhoffte Befreiung durch die Russen. Jona Oberski ist heute 54 Jahre alt und Wissenschaftler in Amsterdam. Regisseur Faenza, der in Deutschland eher ein Geheimtip („Copkiller“, 1983, mit Jonny Rotten) ist, gehört in Italien schon fast zur Kinogeschichte („Forza Italia“ wurde 1977 aus politischen Gründen zensiert). Seine Filme wurden mit vielen italienischen Preisen ausgezeichnet. „Jonah“ läuft dort seit drei Monaten im Kino und bekam herausragende Kritiken, Faenza wird nächste Woche mit „Jonah“ beim Moskauer Filmfest Italien vertreten, im Herbst präsentiert ihn Nobelpreisträger Elie Wiesel in New York, und heute abend wird er von Margarete von Trotta vorgestellt. Nicola Graef

„Jonah Who Lived in the Whale“, von Roberto Faenza, Italien 1993, 20 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin, Tel. 390 00 70