Stieftöchter der Alma mater

■ Bis zum Jahr 2000 wechseln die meisten Lehrstühle ihre Inhaber / Überparteiliche Berliner Fraueninitiative fordert gezielte Förderung von Wissenschaftlerinnen

Wenn in den nächsten fünf Jahren nicht massiv Frauenförderung betrieben wird, bleiben Wissenschaftlerinnen auch in den nächsten 40 Jahren Stieftöchter der Alma mater. Ab 1995 nämlich wird ein Großteil der derzeitigen Lehrstuhlinhaber emeritieren. Für die Neuberufungen stehen viele promovierte, aber kaum habilitierte Frauen bereit.

Für eine gezielte Förderung von Wissenschaflterinnen hat sich am Dienstag die überparteiliche Fraueninitiative „Berlin – Stadt der Frauen“ ausgesprochen. Die Initiative, zu der unter anderem HU- Rektorin Marlis Dürkop, Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) und die FDP-Vorsitzende Carola von Braun gehören, widmete sich am Mittwoch abend dem Thema „Frauen an den Hochschulen“. Per Akklamation verabschiedeten die etwa 300 erschienenen Frauen eine Resolution, die neben Sonderprogrammen für Frauen zur wissenschaftlichen Qualifizierung die Sicherstellung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftlerinnen, bessere Kinderbetreuung an den Hochschulen und Überbrückungsprogramme für arbeitslose Akademikerinnen aus der ehemaligen DDR fordert.

Nach wie vor verringert sich der Anteil von Frauen auf den Ebenen des wissenschaftlichen Personals bis zu den Professuren drastisch. Auf eine C4-Professur beispielsweise beriefen die beiden großen Universitäten im Westteil 1992 keine einzige Frau. Trotz eines Frauenanteils von 17 Prozent bei den Habilitationen an der FU wurde nur eine Frau auf eine C3- Stelle berufen. „Die Umstrukturierungen in Ostberlin macht die Wissenschaftlerinnen dort zu Stieftöchtern zweiter Klasse“, befand Gabriele Jähnert vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung an der HU. Während in der DDR 17 Prozent der Habilitierten Frauen waren, sind nur 12 Prozent der neu an die HU Berufenen weiblich, auf den C3 und C4 Stellen sind es nur noch sieben Prozent. Auch die Abwicklung des Mittelbaus, der in der DDR weitgehend von Frauen getragen wurde, trifft diese besonders schwer. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen stehen vor dem beruflichen Aus, wenn ihre ABM-Projekte im Sommer auslaufen.

„Die bestehenden Frauenförderprogramme müssen trotz Geldmangels nicht nur fortgeführt, sondern auf den Ostteil ausgeweitet werden“, forderte daher Christine Färber, Sprecherin der Landeskonferenz der Hochschulfrauenbeauftragten im Hinblick auf die Haushaltsberatungen im Herbst. Das gelte für das Förderprogramm Frauenforschung und das Künstlerinnenprogramm wie für das Landesprogramm zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft. „Frauensonderprogramme sind kein Luxus sondern nach jahrelanger Diskriminierung ein legitimer Anspruch“, so Karin Hausen, TU-Historikerin und Vorsitzende des Frauenforschungsprogrammes.

Die Frauen wollen auch im Hochschulstrukturplan die Förderung von Frauen und Frauenforschung verankert sehen, „beginnend mit den Empfehlungen der Landeshochschulstrukturkommission (LHSK)“, so die Resolution. Von den Empfehlungen, die im Abschlußbericht der LHSK immerhin sechs Seiten füllen, findet sich im Entwurf zum Hochschulstrukturplan kaum etwas wieder.

Die LHSK hatte dem Land Berlin nicht nur geraten, schon bei den Zulassungen zu Studiengängen mit geringem Studentinnenanteil spezielle Angebote für Interessentinnen zu schaffen. Sie empfahl auch, Promotionsstellen dem Anteil der Studienabsolventinnen entsprechend mit Frauen zu besetzen und Wissenschaftlerinnen gezielt die Möglichkeit zur Habilitation zu bieten. Bei Berufungsverfahren solle man sich um qualifizierte Frauen bemühen und habilitierte Dozentinnen aus den neuen Ländern besonders berücksichtigen. Auch die Frauenforschung sei durch Zweckbestimmung spezieller Professuren und eine Erweiterung des Lehrangebotes durch „women/gender studies“ zu sichern. Corinna Raupach