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■ ZDF: Über dem Lerchenberg weht der Sparstrumpf

Nicht nur in Bonn gehen die Sparschweine auf Angriffskurs, auch beim ZDF in Mainz werden die Daumenschrauben angezogen. Der Fernsehrat beschloß Ende Juni, daß bis Dezember 1996 rund 570 Millionen Mark eingespart werden sollen. So wird versucht, die jährlich 200 Millionen Mark Einnahmeverluste bei der Werbung zumindest teilweise auszugleichen. Da ab August das ZDF- Programm über einen gemieteten Astra-Satellitenkanal ausgestrahlt wird, fallen bis zu 100 Millionen Mark zusätzliche Kosten an.

Der Fernsehrat hatte im Januar dem Intendanten die Aufgabe erteilt, bis zum Sommer eine „ausgabenkritische Überprüfung“ der Finanzen vorzunehmen – denn 1992 lagen die Werbeeinnahmen des ZDF mit rund 700 Millionen Mark netto um satte 50 Millionen niedriger als eingeplant. Da der Sender auf dem Lerchenberg seinen Jahresetat von rund 2,3 Milliarden Mark zu etwa 40 Prozent aus der Werbung erlöst (im Gegensatz zu den 20 Prozent Werbeeinnahmen der ARD), treffen die Werbeverluste die Mainzer besonders hart. In diesem Jahr konnte erstmals die Werbezeit nicht mehr vollständig verkauft werden.

Um mehr Spots aquirieren zu können, senkte man zu Jahresbeginn die Preise um 20 Prozent auf durchschnittlich 76.000 Mark für 30 Sekunden. Da vor allem die Vorabendzeit zwischen 17.45 und 18.15 Uhr schlecht ausgebucht ist, senkt das ZDF ab sofort die Preise in dieser Zeit um zusätzliche 20 Prozent.

Vor allem beim Personal will das ZDF in Zukunft sparen. Der Sender soll allein im nächsten Jahr 40 der 4.230 Stellen streichen und bis zur Jahrtausendwende die Beschäftigtenzahl „deutlich unter 4.000“ senken, so Intendant Dieter Stolte. Er will Teile des Tarifvertrages kündigen, „um zur Flexibilisierung der Arbeitszeit zu kommen“. Verstärkt sollen auch freie Mitarbeiter beschäftigt werden, was Sozialkosten spart. Bei der Aus- und Fortbildung soll ebenfalls gestrichen werden; Auslandsstudios werden geschlossen.

Statt Neuproduktionen sollen verstärkt Wiederholungen ausgestrahlt werden, auf die Zweitauswertung der Fußballbundesliga am Freitagabend wird verzichtet. Allein diese Programmänderungen sollenbis 1996 rund 45 Millionen Mark an Einsparung bringen. Comedy- und Humorsendungen am Freitag werden zugunsten der Kultursendung „aspekte“ gestrichen. Auch das erst im Sommer 1991 massiv um 30 Prozent der Sendezeit gekürzte Frauenmagazin „Mona Lisa“ wird wieder wöchentlich ausgestrahlt. Mit erfolglosen Programmen wird, wie bei der kommerziellen Konkurrenz, kurzer Prozeß gemacht. Abgesetzt: „Elstner und die Detektive“, „Deutschland lacht“, „Traumjob“.

Gründe für die finanzielle Schieflage des Zweiten sind einerseits sinkende Einschaltquoten und andererseits steigende Programmpreise. Im letzten Jahr fiel der ZDF-Anteil am Fernsehkonsum in den alten Bundesländern gegenüber 1991 um rund drei auf 24,8 Prozent. In den neuen Ländern liegen die Mainzer mit rund 18 Prozent nur noch knapp vor RTL mit 17,7 Punkten. In den Kabel- und Satellitenhaushalten liegt das ZDF mit 16,6 Prozent sogar nur an dritter Stelle hinter dem Spitzenreiter RTL und der ARD. Der Negativtrend hat sich in den ersten drei Monaten des Jahres fortgesetzt, der Mainzer Sender fiel sogar auf 17,7 Prozent Marktanteil zurück. Allerdings ist das ZDF zwischen 18 und 20 Uhr weiterhin Marktführer – auch in Kabelhaushalten – und somit immer noch ein wichtiger Werbeträger. Trotzdem nahm, bedingt durch den Boom der TV-Werbung bei den Kommerziellen, der Anteil des ZDF an der Fernsehwerbung kontinuierlich seit 1984 ab, von 28,5 auf 13,6 Prozent im letzten Jahr.

Die Programmkosten sind dagegen seit Mitte der achtziger Jahre immens angestiegen, am stärksten im Sport. Die Preise für die Bundesliga stiegen um über 900 Prozent, bei den Sommer- Olympiaden gar um 1.750 Prozent. Bei Spielfilmen mußten in diesem Zeitraum 75, bei attraktiven Kaufserien 50 Prozent mehr bezahlt werden. Auch im Informationsbereich stiegen zwischen 1988 und 1991 die Kosten um knapp 16 Prozentpunkte. Dies liegt unter anderem daran, daß auch hier die kommerzielle Konkurrenz die Preise treibt. So bezahlte „Spiegel-TV“ für Bildmaterial eines Massakers der Armee in der Türkei 110.000 Mark, während das ZDF-„Auslandsjournal“ sich nur sechs Minuten für 25.000 Mark leisten konnte.

Hektik prägt den Fernsehmarkt-Markt, Konzepte werden kurzfristig geändert und Programme um- oder eingestellt. Massive Konflikte wird es bei den Öffentlich-Rechtlichen wegen der Angleichung der Arbeitsbedingungen und Tarifverträge an die kommerzielle Konkurrenz geben. Die Hektik und die Deregulationspolitik werden irgendwann auch die Qualität der Programme beeinflussen. Welch treffliches Thema kommt da auf die alljährliche Besinnungsveranstaltung „Mainzer Tage der Fernsehkritik“ zu. Philippe Ressing