Von gegenseitig mißhandelten Ohren

■ Verhandlung vorm Amtsgericht: Wenn Nachbarn sich nicht grün sind...

Eine kurze, zackige Verbeugung, Hände schütteln und ein gemurmeltes „Entschuldigung“. Auch so kann Bestrafung aussehen. Jedenfalls im Amtsgericht Bergedorf. Dort verlangte gestern der Staatsanwalt von dem 29jährigen Axel V. eine „förmliche Endschuldigung“ beim Ehepaar C. Zusätzlich zu einer Geldbuße in Höhe von 300 Mark.

Axel V., der in einem Altbau unter Herrn und Frau C. wohnt, hatte „wider besseren Wissens“ das Ehepaar beschuldigt, es würde sein Kind quälen. „Das Kind schrie nachts oft, ich vermutete eine Mißhandlung“, verteidigte sich der Angestellte gestern vor Richter Wolfgang Albrecht. Zwischen Schreien und Schreien sei schließlich ein Unterschied, den er unterscheiden könne, ergänzte V. Doch der Richter mochte ihm nicht ganz glauben, war doch der Zeitpunkt, zu dem V. die angebliche Mißhandlung erstmals der Polizei gegenüber erwähnte, etwas zu günstig gewählt: Nämlich just, als ihm Familie C. die Beamten ins Haus geschickt hatte, weil sie sich durch laute Musik gestört gefühlt hatte. „Das kam häufiger vor“, gab der V. zu. Die Wohnungen seien eben hellhörig.

So konnte auch die Frage des Richters nicht ausbleiben, ob Axel V. vielleicht seinen Nachbarn eins auswischen wollte. Der Angeklagte bestritt dies, sagte, daß das Kind eben oft geschrieen habe. Das nur deshalb, weil der Nachbar so laut Musik gehört habe, behauptete dagegen Ehepaar C.

Die letzten Zweifel konnte ein Polizist trotz „schwammiger Erinnerungen“ ausräumen: „Das Kind wies keine äußerlichen Verletzungen auf, machte auch keinen verstörten Eindruck.“ Auch im Krankenhaus, in dem das Kind anschließend gründlich untersucht wurde, kam man zu dem Urteil, daß dieses „in einem guten Allgemeinzustand“ gewesen sei. So schloß sich der Richtert dem Vorschlag des Staatsanwaltes an und verurteilte den Angeklagten dazu, sich zu entschuldigen, aber auch eine Geldbuße zu bezahlen: „Ein kleiner Denkzettel muß sein.“Andrew Ruch