Große Wellenbewegung

■ „Mabul“ der Batsheva Dance Company beim Sommertheater

Überraschende Ungereimtheiten in schneller Abfolge, großartig getanzt und choreographiert zeigte die Batsheva Dance Company mit „Mabul“ beim Internationalen Sommertheater Festivals auf Kampnagel. Mehr noch als die beiden anderen auf dem Festival gezeigten Stücke, „Exzerpte aus Kyr“ und „Arbos“, gewinnen die in „Mabul“ (hebräisch für „Flut“) aufgenommenen Motive durch die Individualität der Tänzer eine eigene Zauberkraft.

Der Choreograph Ohad Naharin läßt in „Mabul“ große Freiräume für den tänzerischen Ausdruck der einzelnen Akteure, die ihre Persönlichkeit mit auf die Bühne bringen. Dabei müssen sie sich nicht auf ihre tänzerische Perfektion beschränken: Gesang und Rezitation werden ergänzend eingesetzt in diesem ungewöhnlichen Tanztheater, das mit einem weißen Hamster und einem furzenden Operntenor, höfischen Prozessionen und Schüssen auf der Bühne verblüfft.

Die Anfangszene gibt eines der wiederkehrenden Motive vor: Die Tänzer beschreiben eine Wellenbewegung, angeführt von Ohad Naharin. Immer wieder scheren einzelne aus der Gruppe aus, werden nach verzeifelten Ausbrüchen schließlich doch von der großen Welle eingeholt.

Der einzelne und die Gemeinschaft, das Chaos und die Form sind wichtige Themen für Naharin, der das Chaos zu einer seiner wichtigsten Arbeitsgrundlagen erklärt: „Mein Verstand arbeitet in einer chaotischen und unvorhersehbaren Weise. Daraus kann ich in meiner Arbeit etwas auswählen; es sieht dann immer noch chaotisch aus, aber in Wirklichkeit ist es sehr kontrolliert.“

Doch es ist nicht nur Chaos: Obwohl Naharin in „Mabul“ keine Geschichte im traditionellen Sinn erzählt, und die Musik von Carl Orff bis John Zorn reicht, sind die Übergänge zwischen den Szenen so stimmig, daß es keine störenden Brüche gibt. In der Dynamik der Choreographie wird vor allem Lust am Tanz und am Spiel deutlich, und nicht zuletzt auch Lust an der Parodie. Oder was würde man sonst zu einem Heldentenor sagen, der in einem Moment noch zutiefst ernste Arien intoniert und das Pathos im nächsten Augenblick furzend, zappelnd und mit grotesken Gebärden der Lächerlichkeit preisgibt?

Birgit Maaß