Hypnotische Stimmung

■ Festival der Weltmusik im Stadtpark mit Schwof-, Ethno- und Trance-Musik

Gut gelaunt und in wallenden, ein bißchen wie von MC Hammer ausgeliehenen Kostümen schritten der 24jährige Rai-Sänger Cheb Mami und seine Band am Samstag, dem zweiten Tag des Festivals der Weltmusik im Stadtpark, die Bühne ab. Band und Sänger setzten sich in Haltung und Auftreten jedoch deutlich voneinander ab: Während Bassist, Gitarrist und Schlagzeuger Mainstream-Rock- und Schwof-Rhythmen vermischten, sang der junge Algerier von Mythen, Bergen, Straßen und weiteren Sichtbarkeiten, von denen kein westlicher, auf „Innen“-Landschaften geeichter Sänger in seinen Liedern mit solcher Hingabe zu erzählen wagt.

Der gutaufgelegte Ali Kuban Hassan flirtete im Anschluß und unterstützt von einer rein akustischen Band mit den in der ersten Reihe begeistert wippenden Mädchen. Sein Auftritt verströmte viel von dem, was gern als „atmosphärischer Klang“ zusammengefaßt wird und was in mitteleuropäischen Gegenden als Mischung aus Esoterik und Rückkehr zur Wiege der Menschheit in Afrika verstanden wird.

Hassan sang jedoch, was auch bei Unkenntnis der Sprache die Tanzenden als verständliche Mitteilung: Der „Groove“ von mit Krummhölzern angeschlagenen Trommeln geht ohne weiteres mit Anmache und Weisheit zusammen, sogar noch mit Schrecken erregenden Schilderungen von grauenvollen Ereignissen.

Der „beste Sänger Afrikas“ — und mit diesem Standpunkt bleibt Veranstalter Andreas Schnoor nicht allein — zappelte von einem zum anderen Bühnenrand und war sich der Hingabe der meisten neuen und alten Hamburger Fans im Publikum sicher.

Am Sonntag verbreitete Le group Folklorique Tuareg Baly eine hypnotische Stimmung wie sie wohl der Can-Schlagzeuger Jackie Liebezeit immer angestrebt haben mag. Die Performance zum sanften Einsteigen und lamgsamen Auflösen blieb vor allem jenen im Gedächtnis, die — und das war nicht zu übersehen — die Fähigkeit zu bisher noch nicht für möglich gehaltenen Bewegungsabläufen für sich entdeckten.

Doch der Auftritt von Angelique Kidjo, der den Schlußpunkt des Festivals der Weltmusik setzte, befremdete. Angelique Kidjo lebt seit zehn Jahren in Frankreich. Dort hat sie Lieder über Kinderprostitution geschrieben und zielsicher ihre Karriere eingeleitet.

„Funkig und rauh“, wie es die Veranstalter versprochen hatten, präsentierte sich Kidjo mit stampfiger Pop-Musik bei einem Festival, das sich urplötzlich seiner Grund-Intention beraubt sah: Nämlich darauf hinzuweisen, daß die Billboard-Charts nicht mit den fünf Kontinenten identisch sind, daß Musik vielen Gesetzen unterliegt und schon gar nicht immer jenem Zwang, hin und wieder Refrains einzustreuen. Schließlich war über drei Tage keine Musik FÜR Minderheiten sondern VON anderen Mehrheiten zu hören.

Kristof Schreuf