„Unkonventionelle Methode“

■ UKE-Skandal: Chefarzt der Strahlentherapie suspendiert / Röntgenexperten üben scharfe Kritik an ihrem Kollegen    Von Sannah Koch

Er sank nicht hin, sie schubsten ihn. Der Chefarzt der Strahlentherapie in der Uniklinik Eppendorf (UKE), Professor Dr. Dr. Klaus-Henning Hübener, wurde gestern nach einem Gespräch mit Wissenschaftssenator Leonhard Hajen von seinen Dienstpflichten entbunden. Solange, so die obligate Erklärung aus der Wissenschaftsbehörde, bis die Vorfälle aus dem Zeitraum 1987 bis 1990 rückhaltlos aufgeklärt sind. Hajens Entscheidung kam nicht überraschend: Am Vormittag hatten Koryphäen der „Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)“ Hübener zum Abschuß freigegeben.

Die Strahlentherapie dürfe nicht durch die Verfehlungen eines Arztes in Mißkredit geraten, dies versuchte DRG-Präsident Horst Sack gestern den Journalisten mitzugeben. Denn, so betonte der Essener Radiologe, „die Strahlentherapie bleibt eine der wirksamsten Behandlungen bösartiger Geschwülste“. Fast die Hälfte aller geheilten Krebspatienten verdanke ihre Heilung maßgeblich der Bestrahlung.

Ihrer korrekten Bestrahlung, wohlgemerkt. Und obwohl Horst Sack wie auch Hans-Peter Heilmann (Chefarzt der zweiten Hamburger Strahlentherapie im AK St. Georg) und auch Onkologe Lutz Hoffmann (Sprecher der Krebsgesellschaft aus dem AK Barmbek) den bestellten Gutachtern nicht vorgreifen wollten, waren ihre Ausführungen über Hübeners damalige Behandlungsform unmißverständlich. Es sei ein „unkonventionelles Behandlungskonzept zur Anwendung gekommen“, so Sack, und zwar ausschließlich in jenen Jahren und nur im UKE. Auf diese Formulierung hatten sich am Samstag Deutschlands Radiologen auf einer DRG-Sonder-sitzung in Frankfurt geeinigt.

Entgegen der damals etablierten Standardtherapie, so Heilmanns Erläuterungen, habe Hübener zweimal täglich mit einer hohen Dosis bestrahlt und dies sowohl vor als auch nach der Operation. Die Kombination der einzelnen Maßnahmen hatte vermutlich die schrecklichen Nebenwirkungen zur Folge. Nicht nur deren Häufung, so Sack, hätten „deutlich den Rahmen des Üblichen überschritten“, sondern laut Heilmann auch „die Schwere der Schäden“.

Auf Nachfragen räumte der DRG-Präsident schließlich ein: „Ich hätte diese Behandlung nur im Rahmen einer Studie durchgeführt“. Dies jedoch hat Hübener nachweislich nicht getan. Er brachte sich und seine Patienten damit um die geregelte Nachsorge und Kontrolle, wie auch um die Patienten-Versicherung, die dann obligatorisch gewesen wäre. So erfuhr Hübener bis 1990 auch nicht, daß seine Behandlung „die übliche Schädigungsrate unter fünf Prozent“ (Sack) überstieg, daß vermutlich bis zu 40 Prozent seiner Patienten unter schwersten Verbrennungen der inneren Organe litten.

Doch obschon die Strahlentherapie heute weitgehend auf bewährten Standards beruht, sind solche Vorkommnisse auch heute nicht gänzlich auszuschließen. Aufgrund eines strukturellen Problems, eines „Mißstands“, wie Sack es ausdrückte: Obwohl bei Krebsbehandlungen Nachsorge notwendig ist, haben Klinik-Radiologen „kein Recht, die Patienten zur Nachsorge zu bestellen“. Denn die Nachsorge ist Aufgabe der niedergelassen Ärzte - und die sind weder verpflichtet, die Patienten zurückzuüberweisen, noch die Radiologen über Folgeschäden aufzuklären. Ein Mangel, so Heilmann, der dringend behoben werden müsse.

Nach der Suspendierung Hübeners soll jetzt schnellstmöglich ein auswärtiger Radiologe gefunden werden, der die Leitung übernimmt. Außerdem sollen drei neue Experten die heutige Arbeit der UKE-Abteilung begutachten.