Bußgeld wegen illegaler Prostitution

■ Drogenabhängige Prostituierte zu 320 Mark verdonnert / Freier ungehört nach Hause

Zu viermal 80 Mark Bußgeld wurde gestern die 26jährige Susanne L. vor dem Bremer Amtsgericht wegen Ausübung verbotener Prostitution in vier Fällen verurteilt. L. war ab November vergangenen Jahres von Beamten der Polizei als drogenabhängige Prostituierte im Bereich Humboldtstraße aufgegriffen und angezeigt worden. Zu dem Prozeß waren auch die mutmaßlichen Freier als Zeugen geladen. Amtsrichterin Erika Segond rief sie nicht in den Zeugenstand: Die Angeklagte hatte im Prozeß die ihr vorgeworfene Prostitution zugegeben, so daß die Zeugen ohne Anhörung entlassen wurden. Segond: „In einer Situation, wo die Fakten nicht weiter aufklärungsbedürftig sind, hätte das Befragen der Zeugen den Eindruck erweckt, daß sie an den Pranger gestellt werden sollen.“

„Wenn ich ins Hafengebiet gehe, ist es doch klar, daß ich mit den anderen Frauen Ärger kriege“, erklärte die 26jährige, die seit sechs Jahren abhängig ist und seit eineinhalb Jahren ihre Sucht mit Prostitution finanziert. Seit gestern ist sie im Bremer Methadonprogramm, den Behandlungsvertrag konnte sie vor Gericht präsentieren. Zum Prozeß war es gekommen, nachdem mehrere Bußgeldbescheide von der Angeklagten nicht bezahlt worden waren.

Um den Sachverhalt gab es keine Zweifel: L. gab zu, in vier Fällen „Sexuelle Leistungen gegen Entgelt“ (so die Amtssprache) angeboten zu haben: Oralverkehr für 50-60 Mark. Das ist nach § 184 a des Strafgesetzbuches verboten, außer in Gebieten, in denen die Sperrgebietsverordnung aufgehoben ist.

Juristisch ging es für Richterin Segond um die Frage nach der Beharrlichkeit, mit der die Angeklagte der Prostitution nachgegangen sein soll. Beharrlichkeit stellt einen Straftatbestand dar, der mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden muß. „Die Hauptverhandlung hat ergeben, daß das Element der Beharrlicheit nicht festgestellt werden konnte“, sagte Segond. Es sei der Angeklagten keineswegs „wurscht“ gewesen, was sie da mache. Sie hätte tatsächlich unter einem Druck gestanden, der ihr keine andere Möglichkeit gelassen habe. Daraus folgte: Der Straftatbestand wurde in einen Verstoß gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz umgewandelt. Sehr zum Leidwesen der Staatsanwältin, die auf einen Straftatbestand plädiert und einen Monat Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert hatte. Damit wäre die drogenabhängige Susanne L. vorbestraft gewesen.

Achtzig Mark für jeden der vier angeklagten Fälle muß L. jetzt bezahlen. „Das entspricht also in etwa dem Preis, den man für ein Mal mit einem Kunden bekommt“, druckste Segond herum. Die Prozeßkosten muß Susanne L. auch zahlen. Die geladenen Zeugen, die unverrichteter Dinge wieder entlassen wurden, erhalten 20 Mark Verdienstausfall pro Stunde plus Fahrgeld.

Vivianne Agena