: Nachschlag
■ Original und Abbild – Ina Merkel über Ost- und Westfrauen
„Feindliche Schwestern“ heißt ein Aufsatz von Ulrike Baureithel in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Ästhetik und Kommunikation, gemeint sind Frauen in Ost und West. Die Autorin kann die Ursachen der „Feindschaft“ nur vage beschreiben: Die Debatte um Differenzen und Gemeinsamkeiten innerhalb der Frauenbewegung ist nicht weitergekommen. Vergangene Woche sprach im Rahmen der Ausstellung „Blick-Wechsel: Ost- West“ die Soziologin Ina Merkel, ehemals Sprecherin des Unabhängigen Frauenverbandes am runden Tisch, zu diesem Thema. Merkel erforscht seit Mitte der achtziger Jahre Frauenbiographien und -politik in der DDR. Den leidigen Streit streifte sie nur am Rande, statt dessen skizzierte sie Unterschiede zwischen Original und Abbild der „DDR-Frau“.
Die „Ostfrau“, die sich „Emanzipation verordnen“ ließ, existiert nicht. In den DDR-Medien sei ein Frauenbild gepflegt worden, das sich eng an die traditionelle Rolle anlehnt: das der Mutter nämlich, die gestützt auf sozialpolitische Maßnahmen sowohl Haushalt als auch Beruf bewältigt. „Man darf den Bildern nicht aufsitzen“, stellt Merkel fest. Wenn in den siebziger Jahren – als Reaktion auf die Hoch-Zeit des Feminismus im Westen – ein Propaganda-Werk die glückliche „Reichsbahnoberamtmännin“ mit Familie vorstellte, bewirkte blauäugiger Bilder-Glaube einen „doppelten Reinfall“: West-Frauen, die den DDR-Alltag nicht kannten, standen staunend vor so viel Emanzipation. Doch viele DDR-Frauen scheiterten an der Umsetzung dieses Lebensentwurfs. Belege sind die hohen Scheidungsraten und die Tatsache, daß, trotz diverser Förderpläne, Frauen in Führungspositionen selten waren. Die tradierte Arbeitsteilung, die Frauen vor allem niedrigbezahlte Positionen zuweist, veränderte sich kaum; und es gab keine Frauenbewegung, die dagegen protestiert hätte.
Die Einflüsse des theorielastigen West-Feminismus, der durchaus rezipiert wurde, änderten daran wenig. Wie sollte er auch, wenn doch Staat und Gesellschaft der DDR scheinbar freiwillig zugestanden, worum Westfrauen lange oder vergeblich kämpften – liberales Abtreibungsrecht, Babyjahr, Kinderbetreuung. Es waren indes insbesondere Frauen, die das Babyjahr ermöglichten, das die Regierung in den siebziger Jahren „verschenkte“: Da es Frauen- und Männerdomänen gab, wurde die Arbeit schwangerer Frauen und Mütter vorwiegend von den Kolleginnen mitgetan, genauer gesagt von Frauen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Angesichts der ungerechten Lastenverteilung regte sich zwar Protest, der jedoch nie an die Öffentlichkeit drang. Die Ungerechtigkeit setzt sich indes bis heute fort: Frauen im Vorruhestand z.B. haben die niedrigsten Einkommen. Ungerechte Arbeitslöhne und Arbeitslosigkeit fordert Frauen viel eher zum Protest heraus als Pornographie, weibliche Ästhetik und selbst die Entscheidung über den Paragraphen 218. Das aber sind die beherrschenden Themen, wenn Frauen über Frauen diskutieren. Ausgleich wäre nötig. Friederike Freier
Die nächste Veranstaltung zur Ausstellung „Blick-Wechsel“: „Volkskino – Amateurfilme als kulturhistorische Dokumente“ am 29.7., 18 Uhr im Dahlemer Museum für Volkskunde.
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