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■ Press-SchlagDer verschlagene Ball

Angekommen im ersten Stock, wird man empfangen von einem Fernsehschirm, auf dem ein Videospiel flimmert. Die Aufführung des medialen Tennismatches wird gesponsert von Nintendo, verrät der Schriftzug auf dem Gestell, das das TV- Gerät trägt. Kontrastiert werden soll damit die Ausstellung „Von der Kunst, den Ball zu schlagen – Ein Streifzug durch die Welt des Spiels“, verrät die Austellungsmacherin Martina Behrendt, Leiterin des Sportmuseums Berlin.

Das wäre aber nicht nötig gewesen, Frau Behrendt. Der Kontrast fällt auch so ins Auge, spätestens dann, wenn man zur Vitrine mit den altertümlichen Tennisschlägern gelangt, die nun auch gar nichts mit den High-Tech-Monstern gemein haben, die sich heutzutage auf internationalen Turnierplätzen tummeln. So trottet man also weiter von Raum zu Raum, schmunzelt dort und gackert hier, freut sich über obskure Spiele wie das irische Skittles, das belgische Pagschieten oder die Rundkegelbahn, die es mal in Berlin-Moabit gegeben haben muß. Man fragt sich allerdings auch, was zum Teufel denn nun Pallone oder auch Tamburinball sind und harrt einer Erklärung vergebens. Dafür entschädigen dann wieder die Spielkarten mit Sportmotiven und die Sammelbilder aus „Liebig's Fleischextrakt“.

Also weiter ins nächste Zimmer, von den Indianern zu den Chinesen, vom Barock ins 20.Jahrhundert, vom Schachbrett über Murmeln und Blinde Kuh bis zum modernistischen Plakat für den Berlin-Marathon 1992. Ein paar Plastiken, weil die Luft zwischen den Wänden auch gefüllt sein will, noch mehr historische Sportgeräte, der eine oder andere Liebermann. Hübsch anzusehen, aber es verrät doch wenig von der Intention. Und erklärt noch weniger, was denn nun dran ist an der Kunst, den Ball zu schlagen.

Wenn diese Ausstellung schon kein Konzept hat, dann doch zumindest einen Anlaß. Dieser war der „Internationale Kongreß zur Geschichte des Sports“ vom 30. Juni bis 4. Juli in Berlin. Das Grußwort im amtlichen Bulletin von Manfred von Richthofen, Präsident des Landessportbundes Berlin, läßt keinen Zweifel, daß der Kongreß und mithin die begleitende Ausstellung auch Olympia-Werbezwecken dienen soll. Deshalb findet, endlich angelangt im letzten Raum, sogar statt, was wohl Vergangenheitsbewältigung sein soll.

Dargestellt wird die Geschichte von Alfred Flatow, 1896 Olympiasieger im Turnen, 1936 von den Nazis noch hochoffiziell zur Olympiade in Berlin als Ehrengast geladen, 1942 enteignet, 1943 in den Niederlanden verhaftet, 1945 in Theresienstadt umgebracht. Mal abgesehen davon, daß nicht ganz klar wird, ob Alfred Flatow oder der Rest der Turnriege je einen Ball geschlagen haben, entwertet sich das an sich löbliche Ansinnen gleich wieder selbst. Warum, anstatt zum Beispiel einer Liste aller Sportler, die den Nazis zum Opfer fielen, lieber das Einzelschicksal Flatow gewählt wurde, wird beim Blick in die Vitrine klar. Dort findet sich ein Brief von Sohn Stefan Flatow, wohnhaft in Holland, der versöhnlich für Olympia 2000 plädiert. Nur, schlägt er vor, der Fackellauf möge doch bitte durch Theresienstadt führen zum Gedenken an seinen Vater. Der regierende Diepgen sagt zu und schlägt eben dieses dem IOC vor. Bekanntermaßen harrt man noch der Entscheidung.

Und so wird aus einer halbwegs netten, wenn auch konzeptionslosen Ausstellung ein auch noch recht durchsichtiges Stück Propaganda. Vom politischen Ärgernis ganz zu schweigen. Thomas Winkler

„Von der Kunst, den Ball zu schlagen – Ein Streifzug durch die Welt des Spiels“, bis 15. August, Berlin, Ephraim-Palais

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