Nachschlag

■ USArts im Podewil

Entgegen aller polemischen Voraussagen und Unkenrufe haben sich akustische und elektronische Musik längst unentwirrbar durchdrungen. Wer heute etwa eine Karajan-Einspielung klassischer Musik hört, lauscht einer durch Aufnahmetechnik, diverse Nachmisch- und Schnittverfahren eindeutig elektroakustisch verarbeiteten Musik; umgekehrt haben sich die elektronischen Verfahren längst in Kompositionstechniken für herkömmliche Instrumente niedergeschlagen. Standardbeispiel ist und bleibt die minimal music. Ende der fünfziger Jahre war durch die Erfindung des Tonbands die simultane Abspielung mehrerer Loops unterschiedlicher Länge möglich geworden. Diese wiederum wurden in den frühen Sechzigern ins Instrumentale übertragen, wodurch sich eine Vielzahl repetitiver Muster entwickelte.

Im Rahmen von USArts widmete der amerikanische Pianist Joseph Kubera Montag abend im Podewil sein ganzes Konzertprogramm pianistischer minimal music. Mit Philip Glass und La Monte Young waren zwei der Stars der ersten Stunde im Programm vertreten. Bei Glass darf der Pianist ein über viertelstündiges Fingermuskulatur-Training vollführen, indem er ununterbrochen sich wiederholende Phrasen aus durchlaufenden Achtelketten in die Tasten hämmert. Young hingegen demonstriert in seinem Klassiker Composition 1960 No. 7 das krasse Gegenteil: Er schreibt nicht mehr als eine Quinte für einen langen Zeitraum vor. Diese stehende Quinte, im Klavier durch elektromagnetisch schwingende Saiten zum kontinuierlichen Klingen gebracht, nervt zwar nach einiger Zeit ziemlich, leitet aber auch über zu tieferen meditativen Erkenntnissen. Es wird einem zum Beispiel klar, daß die meisten Staubsauger in ihrer Obertonreihe ebenfalls die Quinte exponieren.

Aber natürlich durfte sich auch die jüngere Generation am minimalistischen Wiederholungsreigen beteiligen. David First steuerte ein Stück bei, daß zwei Ganztonleitern aneinander klebt und diese ständig, unter wechselnder Akzentuierung wiederholt. Das klingt als würde ein junger französischer Pianist ein Viertelstündchen ununterbrochen die gleiche Debussy-Phrase trainieren – ständige Klanginstallation auf französischen Musikhochschulgängen sozusagen.

Jon Gibson hingegen setzt seine Melodie aus 36 Tönen zusammen. Wer da nicht willens ist, meditativ hineinzufallen, hat immerhin den Spaß, die Noten brav mitzuzählen und so recht genau über die Progressionsschritte des Stückes informiert zu sein. Kompositionen von Terry Jennings umrahmten das gesamte Programm und waren wohl weniger minimal music als sensibel- poetische Feldman-Kopien. Und doch stehen sie wie kleine Gänseblümchen am Wegesrand und freuen sich, einfach zu sein. Zudem boten sie dem Pianisten die einzige Gelegenheit des Abends, sich nicht nur als musikalischer Repetitionszwangsvollstrecker zu betätigen, sondern auch interpretatorisch einzugreifen, was selbigem erfreulich gut, nur bei der Zugabe unsicher tastend, gelang. Marc Meier