Balzende Vögel im Göttergarten

■ Premiere von „La Sensitive“ von Annette Leday und der indischen Keli Company beim Internationalen Sommertheater Keli

Sie zog aus, das indische Tanztheater zu erneuern: Beim Sommertheater auf Kampnagel zeigt die Französin Annette Leday mit La Sensitive einen Versuch, zwei völlig unterschiedliche kulturelle Lebenswelten zu verbinden.

Stoff der Choreographie ist die Entstehung und der Verfall eines Gartens, vom englischen Philosophen P.B. Shelley in seinem Gedicht „The Sensitive Plant“ erzählt. In einer Mischung aus modernem Tanz und Kathakali, einem codierten Tanzritual, das nur Eingeweihte esen können, läßt Annette Leday die Geschichte von den fünf Tänzern der indischen Keli Company erzählen. Sie sieht im Thema des Naturkreislaufs eine klare Parallele zum Hinduismus. Ein idealer Bezug zum Motto des Sommertheaters, sollte man meinen, geht es doch dieses Jahr um „Theater an den Schnittflächen von Kulturen“.

Formal ist die Verknüpfung zwischen West und Ost gelungen. In den Mittelpunkt der ansonsten leeren Bühne ist als Verkörperung des Gartens ein farbenprächtiges Kalam gestreut, ein Götterbildnis aus Gewürzen und zerstoßenen Pflanzen. Mit dem Sonnenlicht wird der Garten zum Leben erweckt: Ein kauernder Tänzer wird von einem einzelnen Lichtkegel bestrahlt. Zögerlich hebt sich zunächst ein Arm, bewegt sich ein Finger. Vogelgezwitscher, das Licht wird heller, die Tänzer richten sich langsam auf und offenbaren ihre Gesichter. Die bemalte Augenpartie läßt sie als bizarre bunte Vögel erscheinen, die das Publikum durch Augenrollen und zuckend-spitzmündige Grimassen belustigen.

Mit konzentrierten, kleinen, kraftvollen Bewegungen beginnt der Tanz, der sich zum Balztanz zwischen zwei der Vogelmenschen entwickelt. Sie ziert sich, er lockt und flötet Süßholz, spreizt angeberisch die Federn — dieses Spiel wird überall verstanden und entzückt erneut die Zuschauer. Doch schon bald kündigt sich die drohende Zerstörung an. Eine Göttin tanzt in einem zarten Blättergeflecht aus Lichtflecken und bleibt schließlich leblos auf dem Götterbild liegen.

Die anderen Vogeltänzer erscheinen, ihr Tanz wird rhythmischer und ekstatischer. Sie trommeln mit der Außenkante der Füße auf die Erde, beziehen aus ihr die Energie, die sie dann mit einer ungeheuren Geschwindigkeit in die Luft schnellen läßt. Gewalt und Aggression steigern sich, wenn die Tänzer das Götterbild nach einem gespielten Todeskampf zerstören.

La Sensitive beeindruckt durch die perfekte Körperbeherrschung der Tänzer und die Exotik ihrer Bewegungen. Doch in die Bewunderung mischt sich Befremdung, denn die mimischen und gestischen Codes sind für uns nicht zu verstehen. So bleibt eine Distanz zum Geschehen auf der Bühne, und die Frage, warum der indische Tanz nur durch eine Französin erneuert werden kann, die sich daheim in Europa damit ihre Lorbeeren verdient? Birgit Maaß

bis 25. Juli, K1 , 19.30 Uhr