Sag' beim Abschied leise Servus

■ Viel Besinnliches, wenig Politisches und etwas Böses in der letzten Sitzung der Hamburger Bürgerschaft     Von Sannah Koch

Ein einsamer Finger in der Höh' und die kurze, böse Rede eines fraktionslosen Abgeordneten: Zwei Kontrapunkte in einer letzten Bürgerschaftssitzung, die ähnlich kurz war wie die Legislaturperiode, die sie beendete.

Besinnlich-beschaulich sollte es gestern bei der Selbstauflösung des Hamburger Landesparlaments zugehen, wehmütig wollte man Abschied nehmen von den WeggefährtInnen, die das Verfassungsgericht mit seinem vernichtenden Urteil um zwei weitere Parlamentsjahre und ihre Diäten geprellt hat. Eine Debatte, so die Fraktionen selten einig, findet nicht statt.

Doch einem stank soviel vornehme Zurückhaltung: Jürgen Warmke, frisch aus der CDU ausgetreten und in die „Statt Partei“ übergewechselt, nutzte die letzte Möglichkeit, noch einmal in trauter Runde nachzutreten: „Bis vor zehn Minuten habe ich nicht geglaubt, daß sich die Bürgerschaft ohne Diskussion auflösen wird.“ Klammheimlich werde hier nach dem großen Selbstbedienungsskandal, dem Senatsgesetz, nun der nächste großen Finanzskandal inszeniert - mit der „großen Wahlkampfkostenerstattungs-Koalition“.

Warmke gewohnt streitsüchtig: „Das Gericht hat eine Wiederholungswahl verlangt, und das Parlament beschließt eine Neuwahl, um sich 6,3 Millionen Mark Wahlkampfkostenerstattung zu sichern.“ Das sei Selbstbedienung an Steuermitteln, der weder sein „Statt Partei“-Kollege Silberbach (Ex-SPD) noch er zustimmen werde. Bürgerschaftspräsidentin Elisabeth Kiauschs spitze Replik: In der Bürgerschaftskanzlei sehe man in dieser Frage zwischen Neu- und Wiederwahl keinen Unterschied.

Ob mit oder ohne Debatte: Aufs Kommando „Abstimmung“ gingen alle Hände in die Höhe - bis auf drei. Silberbach und Warmke ignorierten den Vorgang, nur der CDUler Franz-Alexander Bernhardt lehnte die selbstverordnete Auflösung mit einem zaghaft erhobenen Finger ab - seine letzte Tat als CDU-Bürgerschaftsabgeordneter.

Zuvor hatte Warmkes Attacke die Wellen der Rührung und Rührseligkeit zerschnitten, die nach der Abschiedsrede von Alterspräsidentin Charlotte Fera durch den Plenarsaal waberten. Die kämpferische, witzige, querköpfige kleine Grande Dame der CDU, die jetzt 87jährig nach 36 Jahren Abgeordnetentätigkeit ihr Bürgerschaftsmandat niederlegt, legte den Youngstern im Saal ans Herz, „gemeinsam Antworten auf die Fragen der Menschen zu suchen“. Denn die Politikverdrossenheit sei Ergebnis heillos in sich selbst zerstrittener Parteien und phantasieloser, ritualisierter politischer Gegnerschaften.

Sprach dann ihr letztes „Tschüß“, kassierte ein Bussi vom Bürgermeister - und Feierabend.