Robin Hood in Nicaragua

■ Schwere Kämpfe nach Banküberfall

Managua (taz) – Die blutigsten Kämpfe seit Ende des Krieges vor drei Jahren forderten am Mittwoch in der nordnicaraguanischen Stadt Esteli mindestens fünf Todesopfer und über 50 Verletzte unter der Zivilbevölkerung. Erst gestern früh konnte die Armee die von linksgerichteten Rebellen besetzte Stadt zurückerobern.

200 Mitglieder der sogenannten Revolutionären Arbeiter- und Bauernfront (FROC), die am frühen Nachmittag in der 150 Kilometer nördlich von Managua gelegenen Metropole des nördlichen Berglandes einfielen, richteten ihre Attacken zunächst auf die drei Bankfilialen, wo sie mindestens zehn Säcke voller Geldscheine abschleppten. Laut offiziellen Angaben konnten sie über eine Million Dollar erbeuten. Gleichzeitig wurden das Telefonamt, das Rathaus und andere Regierungsgebäude unter Beschuß genommen und die wichtigsten Polizeiposten besetzt. Anführer ist der ehemalige Armeeoffizier Gallegos, der sich unter dem Pseudonym „Pedro der Honduraner“ schon mit früheren Überfällen einen Namen gemacht hat. Seine aus entlassenen Militärs rekrutierte Bewegung entstand als Protest gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik der Regierung, die eine rapide Verelendung der Landbevölkerung zur Folge hatte. In einem Kommuniqué forderte die FROC schon am Dienstag Kredite für die Bauern und Kleinunternehmer, Schuldenerlaß, Legalisierung der Agrarreformtitel und eine Verbesserung der Sozialleistungen. Der Banküberfall war offenbar als eine Art Robin-Hood- Aktion zur Umverteilung der Gelder an Bauern gedacht.

Vize-Innenminister Joaqin Lovo bestritt jedoch am Mittwoch, den politischen Charakter des Überfalls. Die Armee ging nachmittags zum Gegenangriff über. Ihr kompromisßloses Einschreiten markiert eine Wende in der Politik der Regierung Chamorro, die mit Aufständischen, vor allem mit den rechtsgerichteten Recontras, stets den Verhandlungsweg gesucht hat. Die sandinistische Armee muß offenbar beweisen, daß sie für die blutige Aktion der ehemaligen Kameraden keine Sympathien hat. Ralf Leonhard