Stobbe verteidigt Lüder

■ Die Stasi-Vorwürfe gegen den FDP-Politiker Lüder stoßen bei seinen Ex-Kollegen von SPD und FDP auf Unglauben

In Berlin stieß die Nachricht auf ungläubiges Staunen. Daß der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Lüder für die Stasi spioniert haben soll, das halte er für „aberwitzig und abenteuerlich“, sagte sein ehemaliger Senatskollege Erich Pätzold (SPD) gestern zur taz. Genauso der ehemalige Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD), der ebenfalls mit Lüder am Senatstisch saß: „Bis zum Beweis eines Gegenteils“, so Stobbe zur taz, glaube er seinem „Koalitionspartner und Freund“ mehr als den Stasi-Akten, auf die sich das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Generalbundesanwalt offenbar stützten.

Den weitaus größten Teil seiner politischen Laufbahn hatte Lüder in Berlin absolviert. 1958 war er als Mitglied des Liberalen Studentenbunds zum Vorsitzenden des Studentenparlaments an der FU gewählt worden. Von 1971 bis 1981 wurde er als Protagonist des linken Flügels seiner Partei Chef der Berliner FDP. 1975 trat er als Wirtschaftssenator in den sozialliberalen Senat ein, der damals von Klaus Schütz und später von Stobbe geführt wurde. Später wurde er als Bürgermeister auch stellvertretender Senatschef. 1981 trat Lüder im Gefolge des Garski- Skandals zurück. 1987 wurde er in den Bundestag gewählt.

Für „abwegig“ hält man die Vorwürfe nicht nur in der Berliner SPD, sondern erst recht im Landesverband der FDP. „Ich kann darüber nur lächeln“, sagte der Abgeordnete Rolf-Dieter Lange, der Lüder im Senat als Büroleiter diente. Sein damaliger Chef habe nichts getan, was nicht auch die SPD-Politiker Stobbe, Harry Ristock oder Alexander Longolius getan hätten.

Ost-Kontakte – auch informeller Art und ohne alliierte Genehmigung – seien für Westberliner Senatsmitglieder „gang und gäbe“ gewesen, bestätigte Stobbe. „Alle haben sich bemüht, Entspannungspolitik zu machen.“ Heinz Striek, damals für die SPD Finanzsenator, äußerte sich genauso. Als Wirtschaftssenator habe Lüder „im Interesse der Berliner Wirtschaft“ viele Ost-Kontakte unterhalten müssen, „um Absatzgebiete für die Berliner Wirtschaft zu erschließen“. Eine Stasi-Mitarbeit von Lüder, so Striek, „scheidet für mich völlig aus“.

Akten der Stasi, meinte Stobbe, „sind für mich manipulierte Akten“ und „prinzipiell nicht glaubhaft“. Bevor er seinen ehemaligen Senatskolegen verurteilen könne, müsse es andere Beweise geben, etwa Belege über Zahlungen der Stasi oder Beweise, „daß er jede Woche die Senatsvorlagen kopiert und rübergetragen hat“.

Hat der Verfassungsschutz auch eigene Erkenntnisse? Zumindest das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) sei in den 70er Jahren SPD-Senatsmitgliedern mit Ost- Kontakten „bis ins Schwimmbad nachgestiegen“, namentlich dem Ex-Senator Horst Korber, weil man seinen guten Absichten nicht getraut habe, erinnerte sich gestern ein Ex-Senator. Nur die Stasi-Kontakte des ehemaligen CDU-Innensenators Heinrich Lummer habe das LfV solange geheim gehalten, „bis sie verjährt waren“. Hans-Martin Tillack, Bonn

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