Frau mit 4 Kindern ohne Wohnung

■ Sozialamt will marktübliche Mieten nicht zahlen / Hotelunterkunft ist aber viel teurer

Frau mit 4 Kindern ohne Wohnung

Sozialamt will marktübliche Mieten nicht zahlen / Hotelunterkunft ist aber viel teurer

Zwei Wochen hat Frau S. noch Zeit, dann muß muß sie raus aus dem Haus — sie konnte die Miete nicht mehr zahlen, der Vermieter hat erfolgreich auf Räumung geklagt. Wohin die 23jährige dann mit ihren vier Kleinkindern ziehen wird, weiß sie immer noch nicht.

Dabei hatte alles so schön angefangen: Im Frühling hatte sie sich mit ihrem Mann wieder versöhnt; gemeinsam hatte man ein hübsches Häuschen angemietet. Die Kaltmiete von 1.600 Mark konnte man sich leisten. Doch nach kurzer Zeit zerbrach die Beziehung erneut, der Mann verschwand. Heute leben Frau S. und die Kinder von der Sozialhilfe. Das heißt, daß das Sozialamt auch die Miete trägt. Aber eben nicht jede: Frau S. soll sich was Billigeres suchen.

Frau S. sucht nun bereitwillig, immer die vier Kinder an der Hand: Doch die Wohnungen, die sie findet, kosten alle mindestens 1.100 Mark kalt. Zahlen wir nicht, sagt dann ihr Sachbearbeiter. Die im Fall der Familie S. zulässige Mietobergrenze liege bei 950 Mark, Warmmiete mit Heizung, ohne Strom.

Da aber unterhalb dieser Grenzen kaum noch Wohnungen auf dem freien Markt zu finden sind, war es bislang gängige Praxis der Sozialämter, in Wohnungsnotstandsfällen auch eine bis zu 25 Prozent teurere Wohnung zu genehmigen. Doch seit einem halben Jahr halten sich die SachbearbeiterInnen strengstens an die Mietobergrenzen, weiß die Solidarische Hilfe aus vielen Beratungsgesprächen. Eine Dienstanweisung von ganz oben gebe es allerdings nicht, sagt die Sprecherin der Sozialbehörde.

Gerade mal eine Wohnung unterhalb der Mietobergrenze finde man im Schnitt in der Samstagsausgabe des „Weserkuriers“, hat die Solidarische Hilfe festgestellt. Oft zahlen deshalb die Leute die Differenz zwischen Wohngeld und tatsächlicher Miete selbst. Damit ein Mietvertrag genehmigt wird, fertigen manche Vermieter mittlerweile schon zwei Verträge an: einen für das Sozialamt, den anderen mit der tatsächlichen Miete für den Mieter. Immer mehr Menschen stehen deshalb mit enormen Mietschulden bei der Solidarischen Hilfe auf der Matte.

Die Mietobergrenze hochzusetzen, halten aber weder die Solidarische Hilfe noch die Sozialbehörde für sinnvoll: Der Markt erhöht sofort die Mieten entsprechend. Einzige Alternative: der Soziale Wohnungsbau.

Frau S. sucht also weiter; dabei kann sie wegen der Kinder und einer ausheilenden Lungenentzündung nicht zweimal in der Woche zur Wohnungshilfe in der City fahren — weil das aber nicht akzeptiert werde, sei ihr schon ein Angebot der Wohnungshilfe durch die Lappen gegangen, beklagt sie. Wenn Frau S. bis zum Monatsende nichts gefunden hat, wird sie in eine Pension oder ein Hotel ziehen müssen. Das Sozialamt zahlt dafür 19.50 Mark pro Nacht und Bett. Für so wenig Geld finde man nur Pensionen, die sich auf die Unterbringung von Obdachlosen spezialisiert haben, weiß Herbert Thomsen: „Das Umfeld wäre für die Familie eine Katastrophe.“

Mal ganz abgesehen davon, daß das Land Bremen für die Unterbringung im Hotel noch wesentlich mehr als für eine Wohnung jenseits der Mietobergrenze zahlen müßte, nämlich monatlich rund 2.900 Mark. Christine Holch