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SanssouciVorschlag

■ Peter Brötzmann und Charles Gayle würdigen Albert Ayler

Auch in diesem Jahr veranstaltet die Berliner Free Music Production in Zusammenarbeit mit dem Charlottenburger Bezirksamt wieder ihre „Two Free Concerts“-Reihe. „Free“ steht dabei sowohl für die zu erwartende Klangschiene als auch für den kostenfreien Zugang. „Dedicated to the work of Albert Ayler“ lautet die schlichte Headline heuer, zu der Peter Brötzmann hinzusetzte: „and somebody, just somebody, please, listen!“ Weil Ayler nämlich zu wenige zuhörten, dem Spieler unverkäuflicher Musik, der in Europa geschätzt und in New York depressiv wurde. Der alles anders machte, keinen Jazz, keinen Swing, Folksongs und Marschmusik, Blues und Soul, Ballade und Ekstase. Der in sein Saxophon schrie, hysterisch, gehetzt, schnell. Coltrane bewunderte ihn, und Leroi Jones schrieb, Ayler sei das Atomzeitalter, er sei der Explosivsound von heute, und mache ihn nicht nur. „We play peace“, sagte Ayler. Im November 1970 wird er, 34jährig, aus dem New Yorker East River gefischt.

Brötzmanns Vorhaben, Ayler zu würdigen, soll Wahlverwandtschaft bezeugen. Mit Milford Graves, Aylers Freund und Trommler, spielte er in den letzten Jahren. Da der aber ungern reist, nahm Hamid Drake, einstiger Sideman von Don Cherry und Jim Pepper, dessen Platz ein. William Parker, Baß, und der Trompeter Toshinori Kondo machen das Ganze schließlich zum Quartett. Der New Yorker Tenorist Charles Gayle wird sich morgen mit seinem „Knitting Factory“-Trio anschließen. Gayle repräsentiert die Sucht nach totaler Freiheit wie nur wenige noch. Free-Music-Veteranen seiner Generation zählen heute eher die Narben, die ihr Gekrache einst in die Visage des Jazz grub. Nur: Der räudige Blick in den Avantgarde-Spiegel wirkt gebrochen. Das Schiff mag Tiefgang haben, aber die Sirene tönt noch. Gayle und Brötzmann blasen kräftig. Christian Broecking

Heute: Peter Brötzmann Quartett, morgen: Charles Gayle Trio, jeweils 20 Uhr im Rathaus Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 100.

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