Vorschlag

■ Milljöh aus der Retorte: Radu Gabreas Film „Rosenemil“

Ja, das waren noch Zeiten. Da hießen die Huren noch Polen- Liese und Diamanten-Berta, Dreigroschen-Romane kosteten nur zwei, Männer konnten noch raufen, und wenn Palisadenkarl, Kletter-Willem und Schieber-Friedrich ihren halbseidenen Geschäften nachgingen, drückte der Kommissar ein Auge zu. Die Nacht war schwarz und die Obrigkeit bestechlich. Der Kaiser lebte, das Volk verlustierte sich Unter den Linden, und Berlin war Multi-Kulti, von den Mohrensälen bis ins Milljöh.

Dreizehn Millionen hat Radu Gabreas Liebesgeschichte vom Rosenemil gekostet, für Kostüme, Massenszenen, Walzertanzen im Gartenlokal, beschauliche Armut in Spelunken und bürgerliche Dekadenz auf höheren Etagen. Dreizehn Millionen für Milljöh aus der Retorte. Die Armen sind edel und lustig, die Reichen böse und unglücklich. Wenn die Huren auf den Tischen tanzen und mit rauchiger Kehle „Kommen Sie mein Herr und legen Sie die Scheine auf den Tisch“ singen, denkt man an Brecht und Weill, und das soll man auch. Als Vorlage diente Georg Herrmanns Roman aus dem wilhelminischen Berlin: Rosenemil (Werner Stocker, der kurz nach den Dreharbeiten starb) liebt die Polen-Liese (Dana Vavrova), aber die kann ihm nur eine Hintertreppen-Existenz bieten, also geht er mit der Diamanten-Berta (Dominique Sanda), die hat einen Wagen, viele Liebhaber, einen Schneider und Schmuck, die staffiert ihn aus und holt ihn in ihre Luxus-Villa. Woraufhin Polen-Liese an der Schwindsucht stirbt, Rosenemil bereut und zerknirscht die Stadt verläßt. Ja, das waren noch Zeiten, als das Leben noch solche Geschichten schrieb.

Nichts, aber auch gar nichts stimmt an diesem Film. Die Brillanten-Berta ist nicht mal hübsch, der Dialog gestärkt wie die Hemdkragen, und immer fehlt die Atmo, wie bei alten DEFA- Filmen. Der Ton wirkt aufgeklebt wie ein falscher Bart und straft den Originalitätsanspruch Lügen. „Rosenemil“ gehört zu der Sorte aufwendiger Euro-Filme, bei denen man sich fragt, warum sie überhaupt gedreht wurden. Sie wissen nicht, was sie wollen, sie haben nichts zu sagen, sie verleugnen die Gegenwart und erfinden eine Vergangenheit, wie es sie nie gab. Ausstaffierte Schauspieler, blutleere Gesichter und eine holprige Dramaturgie, die unentwegt behauptet, was nicht zu sehen ist: alles hübsch verpackt mit einer großen rosa Schleife namens Nostalgie.

Schon nach fünf Minuten muß der Film sich selbst orientieren: Steglitz, Bernau und der Pariser Platz sind bis dahin bereits benannt, folgen weitere Ortsnamen, Berliner Straßen, Berliner Lokale. Aber wer kein Ziel hat, der braucht auch keinen Stadtplan. Christiane Peitz

„Rosenemil“. Regie: Radu Gabrea, Buch: R. Gabrea, Meir Dohnal, Kamera: Dinu Tanase, mit Werner Stocker, Dana Vavrova, D/F/CH, 96 Min. Ab heute im Filmtheater Friedrichstraße.