■ Das Portrait
: Louise Bourgeois

Daß es aus einem Akt der Rache entsprungen ist, sieht man ihrem Werk nicht an. Die sexuellen Bloßstellungen ihres autoritären Vaters beantwortete sie mit kleinen Übungen wie dieser: „Während die Familie beim Essen saß, formte ich heimlich den Körper meines Vaters aus Weißbrotkrumen, die ich wie Lehm mit Speichel vermischte. Als die Figur fertig war, begann ich dann, ihre Glieder mit einem Messer einzeln abzuschneiden. Dies sehe ich als meine erste skulpturale Lösung an.“

Louise Bourgeois, 1911 geboren in Paris, wechselte 1938 nach New York. Dort blieb sie jahrzehntelang Geheimtip, mit Ausstellungen und Ankäufen hie und dort, aber isoliert von den Heldenplätzen des Abstrakten Expressionismus und der Pop- art. In den vergangenen Jahren – der Erfolg Jenny Holzers und Cindy Shermans mag ihr zugespielt haben – hat Louise Bourgeois in Amerika und in Europa den Durchbruch geschafft. Sie war bei der Documenta 9 dabei, und bespielt jetzt den amerikanischen Pavillon auf der Biennale von Venedig.

Als Frau ohne Geheimnis hat sich die Künstlerin, nun über achtzig Jahre alt, bezeichnet. Ihre Geheimnisse hat sie ihrem Werk anvertraut, seltsamen, wuchernden, manchmal fragilen Gebilden aus Wachs, Latex, Marmor, Holz oder Stein, mit einem nicht immer auf den ersten Blick erkennbaren Hang zum Organischen. Die phallischen Referenzen sind offen und wirken durchaus nicht kriegerisch. Louise Bourgeois arbeitet an einem kosmischen Leib, der Frau und Mann sein kann, sehr fleischlich ist und gleichzeitig abstrakt, mit der Glätte Hans Arps und einem Sinn für das Transitive, wie Eva Hesse ihn in räumlicher und zeitlicher Nähe zu Bourgeois in die Kunst eingebracht hat. Der Vertreten bei Venedigs BiennaleFoto: Archiv

Körper ist Fragment, das ist der Ausgangspunkt, das Ziel ist eine geschichtslose Perfektion. Die Arbeit, sagte ihre Biographin Christiane Meyer-Thoss („Louise Bourgeois“, Amman Verlag 1992), habe ein vampirisches Element. Frühere Werke würden im Atelier neuen Arbeiten bis zur Unkenntlichkeit einverleibt. Zwischen „eleganter Behinderung“ (Meyer-Thoss) und verhinderter Eleganz hat Louise Bourgeois ihren Platz gefunden. Sie glaubt nicht, dabei sich selbst gefunden zu haben: Im dem Moment, wo das Selbst gewonnen wird, hat sie bekannt, muß etwas anderes aufgegeben werden. uez