■ Nach der Vorlage des Zwischenberichts zu Bad Kleinen: Schwach im Schlußfolgern
Schonungslos, so versprach es der neue Bonner Innenminister Kanther, werde er die Vorgänge von Bad Kleinen aufklären lassen. Seit gestern wissen wir, daß der Law-and-order-Mann seine Ministerkarriere mit einem gebrochenen Versprechen gestartet hat. Sein Zwischenbericht über die Ereignisse vor, während und nach der wilden Schießerei auf dem Umsteigebahnhof in Mecklenburg-Vorpommern reiht auf mehr als 100 Seiten zwar Detail an Detail, er klärt aber wenig – am wenigsten die genauen Umstände des Todes des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams.
Pleiten, Pech und Pannen werden eingestanden, es werden aber keine Konsequenzen daraus gezogen. Eingeräumt wird beispielsweise, daß der V-Mann des rheinlandpfälzischen Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, seit 1984 an der langen Leine der Verfassungsschützer geführt wurde, auch daß der Staatssekretär im Bonner Innenministerium Hans Neusel schon im Frühjahr 1992 von der Existenz des Top- Informanten unterrichtet wurde – ob und was dieser von Anschlägen der Roten Armee Fraktion wußte, bleibt aber weiter im dunkeln. Die Version des Zwischenberichtes mag auch zutreffen, wonach der V-Mann nicht wußte, daß der Gefängnisneubau in Weiterstadt in Luft gesprengt werden sollte. Im Bericht liest sich das allerdings mehr als Schutzbehauptung – so als könne die Bundesregierung nicht einräumen, ein ungeahnt großes Celler Loch zugelassen zu haben.
Mehrere Rechts- und Innenpolitiker haben in den letzten Tagen bereits resigniert mit den Schultern gezuckt und orakelt, es werde sich wohl nicht mehr zweifelsfrei aufklären lassen, wie das RAF-Mitglied Grams ums Leben kam, wer ihn aus nächster Nähe erschossen hat und ob diese Tötung einer Hinrichtung am Tatort gleichkommt. Der Bericht jedenfalls trägt das seine dazu bei, solche Befürchtungen zu untermauern. Dahinter verbirgt sich allerdings weniger das Unvermögen der Berichterstatter, es geht um Strategie. Man zieht es vor, nicht klären zu können, was nicht geklärt werden darf, weil sonst Konsequenzen gezogen werden müßten. Deutlich wird dies in den Passagen des Berichtes, die sich in der Anlage unter der Überschrift „Behauptungen im Zusammenhang mit den Vorgängen in Bad Kleinen und ihre Richtigstellung“ wiederfinden. Kleine Kostprobe: Behauptung: Es besteht die Gefahr, daß die Spezialtruppe, die auch abenteuerlustige Menschen anlockt, sich verselbständigt und außer Kontrolle der zuständigen Behörden gerät. Richtig ist: Die GSG 9 unterliegt einer strengen Fach- und Dienstaufsicht. Eine Verselbständigung ist daher ausgeschlossen. Wolfgang Gast
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