■ Weizsäcker will deutschen Atommüll in Sibirien vergraben
: Wo die Wölfe heulen

Daß die deutsche Atomindustrie ihren strahlenden Abfall am liebsten ins Ausland verschieben möchte, ist bekannt. Mal war die Wüste Gobi, mal der afrikanische Busch, mal die polnischen Bergwerke das Objekt der Begierde, um heimischen Atommüll loszuwerden. Auch die unwirtliche Weite Sibiriens gehörte seit langem zu den heißen Favoriten. Dort, wo die Wölfe heulen und die Oppositionellen im Gulag schmachteten, dort wäre wohl auch eine passende Heimstatt für deutschen Atomschrott zu finden. Daß jetzt allen Ernstes auch angesehene Wissenschaftler wie Ernst Ulrich von Weizsäcker die Endlagerung in Sibirien favorisieren, ist indessen neu und wird manchen erstaunen.

Weizsäcker und sein Kollege Lüttig argumentieren vor allem geologisch. Sie haben in einem recht: Der Atommüll ist ein globales Problem, und es gibt bis heute kein Land auf der Erde, das über ein funktionsfähiges Endlager für hochaktiven Müll verfügt. Auch die Tatsache, daß die Gesteinsformationen in Sibirien geeigneter sind als anderswo, dürfte zutreffen. Aber es geht bei der Endlagerung eben nicht nur ums Gestein, sondern auch um Politik, um Menschen und um einen Rest von Anstand.

Den Osten als Müllhaufen des Westens zu benutzen, verbietet sich – und mögen die Gesteine noch so mächtig sein – schon aus Gründen jener Moral, die die Atomgemeinde nie gekannt hat. Das Land der Armen als Atomklo für die Reichen zu nutzen, den Atommüll dort endlagern, wo die Erde sowieso schon verseucht ist. Zynischer kann man mit diesem Problem nicht umgehen. Den Atommüll nach Sibirien zu exportieren, hieße auch, den Menschen entlang der Transportstrecken und vor Ort das Risiko von Unfällen aufzubürden und ihre Erde für die nächsten 100.000 Jahre zu verseuchen. Ein Atomendlager in Osteuropa würde aber auch bedeuten, sich von der oft beschworenen Entsorgungssicherheit zu verabschieden. Denn zu dieser Sicherheit gehört auch die politische und nicht nur die geologische Stabilität – und diese politische Stabilität wird sich auch auf lange Sicht in Osteuropa nicht einstellen.

Es ist enttäuschend, daß einer wie Weizsäcker all dies vergißt und seinen klugen Kopf in den tiefen Gesteinsschichten des Irkutsker Beckens verliert. Das muß irgendwie in der Familie liegen. Carl Friedrich von Weizsäcker hatte schon 1969 über die Entsorgung deliriert, daß „der gesamte Atommüll, der in der Bundesrepublik im Jahr 2000 vorhanden sein wird, in einen Kasten von 20 Metern Seitenlänge hineingeht. Wenn man das gut versiegelt und verschließt und in ein Bergwerk steckt, wird man hoffen können, daß man damit dieses Problem gelöst hat.“ Schön wär's! Manfred Kriener