Neue Angriffe gegen die Roten Khmer

■ Kambodscha: Kämpfe im Nordwesten / Zugleich wird verhandelt

Phnom Penh/Berlin (AFP/taz) – Es soll nicht länger geduldet werden, daß die Roten Khmer einen Staat im Staate unterhalten, sagte ein Regierungssprecher gestern in Phnom Penh. Am Morgen hatten Regierungssoldaten ein Munitionslager der Roten Khmer in der nordwestlichen Provinz Banteay Meanchay angegriffen. Nach UNO-Angaben nahmen sie auch eine wichtige Kommandostelle der Gruppierung in Phum Chat nahe der thailändischen Grenze teilweise ein.

Dies ist der jüngste Angriff der Regierungstruppen, die seit dem 8. August eine Offensive gegen die Hochburgen der Roten Khmer führt. In den Provinzen Banteay Meanchay und Battambang sollen seit Beginn der Kämpfe etwa 5.000 Menschen aus ihren Dörfern geflohen sein. Ein Militärbeobachter der UNO sagte am Dienstag, Ziel der Armee sei es offenbar, die Rebellen an die Grenzen des Landes abzudrängen.

Die Roten Khmer, die die UNO-organisierten Wahlen im Mai boykottiert hatten und sich politisch zunehmend isoliert fanden, kontrollieren immer noch etwa ein Fünftel des Landes. Wie viele Soldaten sie haben, ist umstritten, es könnten rund 10.000 sein. Aufgrund der klandestinen Struktur der Roten Khmer – ihrer extremen Abschottung nach außen und Geheimhaltung nach innen – ist nicht klar, welche Folgen es für den Zusammenhalt der Gruppierung hat, daß sich die KambodschanerInnen trotz der Drohungen und Boykottaufrufe der Roten Khmer so zahlreich an den Wahlen beteiligten.

In den letzten Monaten gab es Hinweise darauf, daß einige regionale Kommandanten der Roten- Khmer-Truppen weitgehend eigenständig vorgehen. So könnte es zum Beispiel sein, daß die in der vergangenen Woche erfolgte Entführung von acht vietnamesischstämmigen Kindern eine solche eigenständige Aktion war. Die Kinder, die nach der Ermordung von zwei ethnischen Vietnamesen in einem Dorf am Tonle Sap See verschleppt worden waren, wurden am Dienstag freigelassen – nachdem Dorfbewohner angeblich ein Lösegeld von 750 Dollar zahlten.

Nach Ansicht von Beobachtern jedoch hält der – formal zurückgetretene – Chef der Roten Khmer, Pol Pot, immer noch die Fäden fest in der Hand. Er soll im Nordwesten des Landes leben, nahe der Grenze zu Thailand, dessen Militärs beschuldigt werden, mit den Leuten Pol Pots zu kooperieren. Der nach außen hin als Führer der Organisation agierende Khieu Samphan sei schlicht Pol Pots verlängerter Arm.

Khieu Samphan hat das Premierministergespann Ranariddh und Hun Sen in diesen Tagen wieder aufgefordert, eine Beteiligung der Roten Khmer an der Macht zu akzeptieren. Am Dienstag soll ein Abgesandter der Roten Khmer bei einem geheimen Treffen mit der Regierung erklärt haben, seine Organisation bestünde nicht mehr auf Beibehaltung eines eigenen Kommandos, wenn ihre Truppen in eine gemeinsame Armee integriert würden. Und Khieu Sampan selbst forderte laut einer im Roten-Khmer-Sender verlesenen Erklärung die Führer der Parteien dringend zu Verhandlungen auf. Kaum zufällig war es, daß er sich just in den Tagen mit Ranariddh und Hun Sen treffen will (22.–25.8.), da beide einen Besuch beim Erzfeind der Roten Khmer, im Nachbarland Vietnam, geplant haben. li