Finnen lügen nicht

■ „Das Licht des Nordens“ im Altonaer Museum: In Frankreich entwickelt, im Norden gemalt, nach Japan gesendet

Hand aufs Herz : Wer kennt schon Gallen-Kallela, Halonen und Järnefeld? Die finnische Malerei um die Jahrhundertwende kennen die wenigsten. Zu Unrecht, wie die Ausstellung im Altonaer Museum „Das Licht des Nordens - Skandinavische und norddeutsche Malerei zwischen 187O und 192O“ zeigt. Mit 99 Gemälden aus öffentlichen und privaten Sammlungen soll diese Ausstellung einen Querschnitt durch jene Epoche der europäischen Malerei repräsentieren, in der sich die Künstler Nordeuropas durch die französischen Tendenzen der Malerei ab Mitte des 19. Jahrhunderts inspirieren ließen. Die Gemälde dokumentieren die individuellen Reaktionen auf regional differente Lichtverhältnisse, Landschaften und ihr menschliches Umfeld.

Galt die „Grand Nation“ auch noch als Feindbild, und vermieden einige Künstler bewußt den Begriff des Impressionismus, so war die französische Malerei vom Klassizismus bis zum Impressionismus doch vorbildhafter Ausgangspunkt einer selbst zu entwickelnden, spezifisch nordeuropäischen Lichtmalerei. Ein Ausdruck neuen regionalen- und leider auch nationalen- Bewußtseins. Die nordischen „Freilichtmaler“ beriefen sich sogar auf die revolutionäre „Schule von Barbizon“ und ihre einfachen, ländlichen und undramatischen Sujets,die „paysages intimes“:Natur als eigenständiges Thema bereits ein Ausdruck anti-akademischer Haltung, und Landschaft an sich ein Politikum.Der Realismus courbet'scher Prägung - die Welle an sich schon eine malerische Revolte- und der davon nicht unabhängige, französische Impressionismus führten zu speziellen Synthesen mit der Malerei nordeuropäischer Mentalität. Dänemark, mit der Künstlerkolonie der Skagen-Maler, Finnland, Norwegen, Schweden, Norddeutschland, der „Hamburgische Künstlerclub von 1897“ und die Worpsweder Künstler werden an Beispielen vorgestellt.Die Kriterien der Auswahl in der Ausstellung sind wohl leider eher ökonomischer und Leihgebungs-pragmatischer Art, als tatsächlich aus der historischen und sinnlichen Themenbezogenheit(Licht und Landschaft) abgeleitet.

Besonderes Wohlgefallen verbreiten jene skandinavischen Maler, die frühzeitig erkannten, daß „nur blau berühmt macht“, wie die ruhigen Strand-Landschaften des Skagener Malers Peder Severin Kroyers. Albert Edelfelt, Schüler des Pariser Meisters Géròme ist ein Hauptvertreter der frankophilen, naturalistischen Malerei, und zugleich ein entscheidender Vermittler süd-nördlichen Kultur-Austauschs.Sein beeindruckendes Landschaftsgemälde „Kaukola Os bei Sonnenaufgang“ beruht auf dem modischen Japonismus des 19. Jahrhundert.Es nimmt nicht wunder dieses schöne Gemälde auf Plakat und Ausstellungskatalog zu sehen: Vier japanische Museen werden diese Ausstellung in Verbindung mit der ihnen spezifischen Kaufhauskultur ab Ende Oktober übernehmen.Ihre marktorientierte, millionenschwere Leidenschaft für japanophile Impressionisten hat schließlich schon Börsengeschichte geschrieben. Armer, alter Albert.

Eugène Janssons „Ich. Selbstporträt“ und „Hornsgatan“ sollten sogar in ihrer auf Munch verweisenden, poetischen Modernität weiter untersucht werden, nehmen sie doch die erst später aufkommende Malerei der Großstadt-Landschaft farbintensiv voraus. Auffällig auch die Leidenschaft und Weisheit der um Unabhängigkeit vom russischen Zarenreich bemühten, finnischen Maler, den arbeitenden und spielenden Menschen vor die Landschaft zu rücken, und selbstbewußt das Bild der malenden oder künstlernden Frau zu verherrlichen:Emanzipation a la Finnlandia.

All dies, und noch viel mehr ist in der Ausstellung mit Lust zu entdecken. Unverständlich jedoch, warum der Einfluß auf die skandinavische Malerei des dänischen Neo-Klassizisten C.V. Eckersberg, der sich den französischen Großmeistern David und Ingres verbunden fühlte, weder im Katalog, noch in der Ausstellung dokumentiert wird.Der Schüler J.L.Davids wurde schließlich ab 1827 Direktor der berühmten Kopenhagener Akademie und kann als ein Bindeglied zwischen herrschaftsbezogener, klassizistischer Idealität und lebendigen Naturalismus angesehen werden.Wissenschaftlich betrüblich auch die fehlende Vergleichsmöglichkeit mit französischen Vor-Bildern(zumindest im Katalog mit Vergleichs-Abbildungen) und eine darauf gerichtete Bild-Analyse, sowie ein weiterverweisender Anhang mit Literatur-Hinweisen.Dennoch: Wer „blau, bedeutend und berühmt“ zusammen denken und sehen mag, sollte sich im unserem milden Winter auf ins Licht der Erkenntnis machen...

Gunnar F. Gerlach

Altonaer Museum, bis 3. Oktober, Museumstr.23, Katalog 29 Mark