Was Benjamin falsch machte

■ Betr.: "Sexueller Mißbrauch - hineingefragt?" und Lesebrief, taz vom 19. und 22.7.

Abgesehen von einigen Fehlern im Detail gibt der taz-Artikel das Geschehnis richtig wieder: Leider hat sich die „Vertrauensstelle“ Benjamin mit dem geschilderten Fall selbst in Mißkredit gebracht. Viele Oldenburger wissen davon. Um der Gerüchteküche vorzubeugen und die Arbeit solcher Beratungsstellen weiterhin ernsthaft z.B. gegenüber der Justiz vertreten zu können, halte ich eine Auseinandersetzung über solche Fälle — wie mit ihnen umgegangen wird oder besser, wie sie vermieden werden können — für notwendig. Weiterhin stimme ich dem Leserbrief zu: Kinder, die in irgeneiner Form mißbraucht werden, sollen ernstgenommen werden. Deswegen versuche ich, die Gründe für eine solche „Fehlbeurteilung“, wie sie Benjamin unterlaufen ist, herauszufinden.

1. In den Sitzungen bei Benjamin wurde dem Kind vorgehalten zu lügen, es fielen Sätze des „Beraters“ wie „ich kann dich heute nicht eher gehen lassen, bis ich weiß, wer das wirklich ist.“ Das Kind verkroch sich unter Sitzkissen, teilte mit, krank zu sein, weinte mehrmals, hatte anschließend nachts Alpträume. Auf wessen Mißhandlung reagierte das Kind? Ich meine, das Kind wurde verhört, nicht jedoch beraten.

2. Der „Berater“ war lediglich Psychologiestudent ohne therapeutische Ausbildung. Er arbeitete jedoch ein Jahr lang ausschließlich alleine, also ohne professionelle Aufsicht, mit dem Kind. Bezeichnet wird diese Behandlung als „Beratung“ — es scheint aber eine unerlaubt durchgeführte Therapie gewesen zu sein. Anscheinend fehlen Benjamin hauptamtliche, ausgebildete MitarbeiterInnen.

3. Im Laufe des Jahres habe ich bzw. mein Freund mehrfach Kontakt zu Benjamin aufgenommen und Gespräche angeboten — zuletzt nach meiner Haftentlassung bin ich an meine Rechtsanwältin verwiesen worden. Benjamin hatte „Gegendarstellungen“ nicht beachtet oder nicht zugelassen. Warum?

4. Eine Mitarbeiterin von Benjamin war drei Jahre lang die Kindergruppen-Erzieherin meiner kleinen Kinder, an denen sie keine Anzeichen für einen Mißbrauch feststellte. Auch dies führte nicht zu einer Überprüfung der Arbeit des Kollegen. Warum verläßt sich eine Erzieherin nicht auf ihre eigene, mehrjährige Wahrnehmung, sondern auf die „Erkenntnisse“ eines Psychologiestudenten?

Darf ich die Frage nach einem „Täter“ nicht stellen, weil es sich um Institutionen handelt und diese dem Kind nur „Gutes“ wollten? Kritik scheint mir notwendig, wo Selbstkritik fehlt: Anscheinend können wir (als Betroffene) nicht einmal so etwas wie eine Entschuldigung von dieser Institution erwarten.

Wer weitere Informationen haben möchte, kann sich an mich wenden. Sabine Nier, Oldenburg, Wittingsbrok