Sanssouci
: Vorschlag

■ Kafkas „Gruftwächter“ am Halleschen Ufer

Das einzig Nichtdilettantische an seinem Stück „Gruftwächter“ sei, so Kafka 1916 gegenüber seinem Freund Oskar Baum, daß er es nicht vorlese. Die szenische Arbeit des Theater Zimzum versucht denn auch mehrere dramaturgische Drehpunkte zu installieren, eine Grundvoraussetzung für die labyrinthische Schwere dieses Kafkaschen Fragments. Der erforderliche dramaturgische Atem ist lang, die szenische Umsetzung von Stabmarionette/Puppe in Figuren und Bedeutungen von Räumlichkeiten aber kurzatmig und die für Kafka wesentliche Dauer von Geschehnissen schnurrt arg zusammen.

Ein nächtlicher Dachboden. Eine unaufdringliche Lichtprojektion wirft eine Giebelkontur nebst Kreuzrahmenrundfenster auf den Bühnenboden. Eine Gruppe von Kindern tastet sich kichernd aus der Bühnentiefe in das Unerlaubte und den Zuschauerraum hinein. Neugierde und Angst läßt sie dicht beeinanderbleiben, als sie heimlich den Dachboden erkunden, aber mit einer differenzierten und genau gearbeiteten unterschiedlichen Motorik gelingt sehr schnell eine Charakterisierung der Figuren. Kafkas Truhe öffnet sich erst, als ein Lichtschalter betätigt wird. Jetzt triumphiert Verlockung über Widerstehenkönnen: Im Zentrum der Gesamtbühne steht die Schaukel, das einzige Vehikel im zehn mal zehn Meter minimalistisch markierten Spielraum, mit dem man mühelos alle Grenzen überqueren, aus der Dunkelheit ins Licht hinüberfliegen kann. Die Vorsicht weicht nun der Zwangsläufigkeit erdachten Spiels und die Geschichte wird zunehmend zu einem Requisitenparcours der Darsteller. An der Grenze der Angst steht der Gruftwächter.

Die Spontaneität der Kafkaschen Vorlage versucht man durch harte Zäsuren zu kontern. Atmosphäre, Tempo und Spielebene (Kinder, Kinder mit Puppen, nur Puppen) wechseln abrupt. In diesem Unraum aus Harmonium und Stephen-Hawkins-Gekrächze ist die absurde Bürokratie der einzige Ursprung der Handlung. Stefan Wieszner

Theater Zimzum: „Der Gruftwächter“ von Franz Kafka. Noch bis zum 29.8. im Theater am Halleschen Ufer, Kreuzberg