Lang gedient zum Schaden Berlins

■ Die Berlin Consult GmbH, die gestern 25 Jahre alt wurde, hat Berlin vielfältig gedient - koste es, was es wolle / Pleiteprojekte im Wüstensand und beim Giftmüll

Die Berlin Consult GmbH (BC) ist ein echtes Kind der eingemauerten Stadt, in der wie an sonst keinem Ort der alten Bundesrepublik über Jahrzehnte eine unvergleichliche Melange aus Geld, schulterklopfender Kumpanei und politischem Filz blühte. Die Berlin Consult gedieh in diesem Klima. Einen „Staatswirtschaftsbetrieb“ nannte einst der selbst extrem filzerfahrene frühere Berliner Finanzsenator Riebschläger (SPD) die Berlin Consult spöttisch, als der die Pleite drohte. Was eine solche Position mit sich bringt, sagte Riebschläger, der selbst über den Bankrotteur Garski stürzte, gleich dazu: solche Unternehmen würden von der öffentlichen Hand „unter fast keinem Aspekt fallengelassen werden“. Entsprechend teuer ist die Firma, die gestern auf fünfundzwanzigjähriges schadensreiches Wirken zurückblicken konnte, die Stadt gekommen.

An den Früchten der neuen Ost-Politik wollte man profitieren, als die Berlin-Consult 1968 vom damaligen Wirtschaftssenator König (SPD) und dem Unternehmer Professor Güldner gegründet wurde. Der Senat übernahm die Hälfte der Anteile. Ein Jahrzehnt lang zog man diverse Aufträge im Ostblock an Land und verdiente bombig Geld. Gebaut wurden beispielsweise eine Fabrik zur Herstellung von Brillengestellen in Moskau oder eine Knochen-Extraktionsanlage in der ehemaligen DDR. Doch Ende der siebziger Jahre, als die Aufträge aus dem Osten spärlicher flossen, kam die Consulting-Firma ins Trudeln. Um das große Rad weiterdrehen zu können, wurden die Geschäfte immer waghalsiger. In der Not akzeptierte man fragwürdige Kompensationsgeschäfte. Der Bau einer Hefe-Fabrik in Leipzig wurde mit der vereinbarten Abnahme von Hefe für 100 Millionen Mark gekoppelt. Ein Umstand, der zwar auch in Senatskreisen für erhebliche Unruhe sorgte, doch nicht zu Konsequenzen führte.

Im Jahre 1978 wähnte die Berlin Consult, sie habe ein lukratives Geschäft an Land gezogen. Für Saudi-Arabien sollte das Unternehmen zusammen mit einem westdeutschen Partner für 400 Milionen Mark diverse Fabrikhallen bauen. Nach dem Motto „Augen zu und durch“ wollte man freilich die vielen Unstimmigkeiten nicht sehen, die mit dem Projekt verbunden waren:

– Der westdeutsche Partnerbetrieb entpuppte sich als Klitsche, die sich an dem Auftrag hoffnungslos verhob und 1981 Pleite machte, als das Projekt halbfertig im Wüstensand stand.

– Großzügig übersah man bei der BC und beim Senat auch alle konkreten Hinweise auf die tatsächliche Bestimmung der angeblichen Fabrikhallen als Munitionsfabrik. Eine Beteiligung an einer Rüstungsproduktion aber war Berliner Unternehmen nach dem bis zur deutschen Vereinigung geltenden alliierten Kontrollgesetz verboten.

Bedingt durch Partner-Pleite und zeitraubende Veränderungen der Baupläne wurde der Bau zu spät fertig. Folge: Die Saudis zahlten nicht. Um die Summe doch noch zu kassieren, griff man auf ganz unorthodoxe Weise in die Kasse, die der Senat mehrfach wieder auffüllen durfte. Der damalige BC-Geschäftsführer Borrmann wollte mit üppigen „Provisionszahlungen“ an das saudische Königshaus den Karren wieder flottmachen. Daneben verpflichtete sich die BC zu einem weiteren fatalen Deal. Für einen Prinzen der saudischen Herrscherfamilie errichtete das Unternehmen eine Weizenfarm. Aber auch hier zahlte der Kunde anschließend nicht, sondern zwang die BC dazu, den Weizen abzunehmen.

Zu diesem Zeitpunkt regierte in Berlin bereits die CDU – nachdem der Bauunternehmer Garski mit märchenhaften Bauprojekten im Wüstensand die Stadt um 110 Millionen Mark erleichtert hatte und zum Sturz der SPD beitrug. Daraus lernen aber war offenbar auch bei der CDU nicht angesagt. Senator Pieroth jedenfalls lobte das Weizenfarm-Projekt 1982 wider besseren Wissens als „hoch lukrativ“, als unruhig gewordene Abgeordnete nach der Rentabilität des Projekts fragten. Der damalige Senatsdirektor und BC-Aufsichtsrat Werner Heubaum aber wußte es bereits besser. Dies sei ein Geschäft, in das man „unter normalen Umständen niemals eingewilligt hätte“. Heubaum war es auch, welcher der BC erlaubte, den Partnern aus Saudi-Arabien die märchenhafte Provision von 33 Millionen Mark zu versprechen.

Am Ende hatte der Senat zur Abwendung einer Pleite der Berlin-Consult fast 57 Millionen Mark als verlorenen Zuschuß gewährt. Heubaum, von dessen „Eigenmächtigkeit“ der Senat natürlich nichts wußte, schadete dies nicht. Er ist inzwischen Staatssekretär und gleichzeitig auch stellvertretender BC-Aufsichtsratsvorsitzender; Elmar Pieroth als Finanzsenator sein Chef.

Doch der Senat ließ die BC nicht hängen. Die hatte in den siebziger Jahren für den Senat mit der DDR über die Abnahme von Hausmüll verhandelt. Vom DDR- Geschäftspartner Intrac – einer Tochter des Schalck-Golodkowski-Imperiums – hatten sich 1974 die BC-Unterhändler freilich mehrfach über den Tisch ziehen lassen. Vereinbart wurde nämlich für zwanzig Jahre die Lieferung der utopischen Müllmenge von jährlich 2,5 Millionen Tonnen – inklusive der irrsinnigen Klausel einer Westberliner Ausgleichszahlung in zweistelliger Millionenhöhe, wenn die Menge nicht erreicht werde. Und für diese völlig unrealistische Menge baute die Berlin Consult anschließend für 120 Millionen Mark noch eine Müllumladestation.

Das teure Vertragswerk wurde erst im Jahr 1985 korrigiert. Als Kompensation verpflichtete sich Berlin allerdings zum Bau einer Verbrennungsanlage für giftigen Sondermüll auf der DDR-Deponie Schöneiche – und wieder sollte die Berlin Consult das Projekt betreuen.

Die Anlage, so versicherte der Senat, sollte nach dem neuesten Stand der Technik arbeiten. Die Wirklichkeit sah anders aus. Die BC baute eine Billiganlage ein, deren Filtertechnik schon vor der Montage veraltet war und westdeutschen Abgaswerten bei weitem nicht entsprach. Deswegen wurde Schöneiche eine üble Abgasschleuder.

Warum auch Besseres einbauen, mag sich die BC gedacht haben. Schließlich war bekannt, daß die DDR ohnehin keine Emissionsmessungen bekanntgab. In der Folge wurden die Anwohner von Schöneiche über die Schornsteine der Verbrennungsanlage einem hochbrisanten Gift-Cocktail ausgesetzt. Neben Quecksilber und Dioxinen, deren Konzentration im Westen geltende Grenzwerte weit überstieg, fanden sich Rückstände von hochgiftigen Pestiziden, die offenbar unverbrannt wieder aus dem Schornstein herauskamen.

Die Giftschleuder wurde auch nach der Wende nicht stillgelegt. Die BC, an der die Stadt gegenwärtig noch 39 Prozent hält, blieb sich treu. Sie versprach im Sommer 1990 die Nachrüstung. Mit dem Einbau von neuen Filterstoffen könne man alle Grenzwerte einhalten. Zu diesem Zeitpunkt aber hatten interne Meßprotokolle längst das Gegenteil bewiesen. Auch derzeit wird die Anlage noch genutzt – mit „gewissen Betriebsschwierigkeiten“, wie es intern heißt. Gerd Nowakowski