Eine schwierige Nichtbeziehung

Das Verhältnis zwischen Ausländern und der Polizei ist als Problem bekannt, doch dienstliche Aufklärung und Information sind in Städten mit großem Ausländeranteil bislang Einzelinitiativen  ■ Von Pablo Diaz

„Denk ich an einen Polizisten in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht ...“ So oder ähnlich ließe sich das Verhältnis zwischen der Ordnungsmacht Polizei und einem wichtigen Teil der Bevölkerung dieses Landes definieren. Schikanen, Unverständnis, Sprachprobleme, Beschimpfungen: das sind die gängigen Attribute, die dieses Beziehung kennzeichnen. Verbreitete Erklärungsmuster, daß die Polizei durchweg aus Rechtsradikalen bestehe oder daß die Ausländer nun mal „krimineller“ seien als der Durchschnitt der Bevölkerung, greifen zu kurz.

Fakt ist, die Zahl der Ausländer, die sich wegen Polizeiübergriffen beschwert, hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen – europaweit. Dies bestätigt ein Bericht von amnesty international, der im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Fakt ist auch, daß viele Polizisten mit rechtsradikalem Gedankengut sympathisieren. Der vielerorts kursierende Witz, daß die Telefonnummer der Parteizentrale der Reps „110“ lautet, verweist in diese Richtung. „Das ist Propaganda der ,Republikaner‘“, sagt Hansgeorg Koppmann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen. „Wir können für unseren Bezirk ausschließen, daß die Reps in der hessischen Polizei viele Sympathisanten haben.“ Koppmann verweist darauf, daß die Polizisten häufig mit einer Realität konfrontiert seien, auf die sie nur unzulänglich vorbereitet wurden. „Sie sprechen nicht die Sprache der Leute, sie selber werden auch nicht verstanden.“ „Es gibt kein Vertrauen zur Polizei“, ist sein frustriertes Resümee.

Die GdP gesteht ein, daß bestimmte Verhaltensmuster der Polizisten, etwa wenn sie „ausländisch“ aussehende Jugendliche aus einer Gruppe herausholen, um sie zu kontrollieren, nicht unbedingt die beste Grundlage zur Schaffung eines Vertrauensverhältnisses darstellen. Angesichts der Stimmung in der Gesellschaft gegen alles, was irgendwie fremd anmutet, darf man wohl von Polizisten nicht mehr verlangen als vom berüchtigten Otto Normalbürger.

Fast 40 Jahre nach der ersten Einwanderungswelle ausländischer Arbeiter in die Bundesrepublik soll die Polizei immer noch nicht die Tatsache der Immigration verinnerlicht haben? Kaum zu glauben, aber hört man die Aussagen des Polizisten Koppmann, dann ist dies Fakt: „Man muß dem einzelnen Polizisten die Möglichkeit geben, sich in die Lage von Minderheiten zu versetzen. Dieses Thema ist bisher von seiten unseres Dienstherren sträflich vernachlässigt worden. Man gibt dem Polizisten keine Chance seine Vorurteile abzubauen“, meint Polizist Koppmann vorwurfsvoll an die Adresse des hessischen Innenministeriums gerichtet.

Allerdings, es tut sich was. In den zwei hessischen Gemeinden Frankfurt/Main und Offenbach/ Main werden im Herbst dieses Jahres die ersten sechs ausländischen Polizisten ihren Dienst antreten – als Angestellte, versteht sich. Andere Bundesländer wie Hamburg und Berlin sammeln schon seit einigen Jahren Erfahrungen in diesem Bereich. In Baden-Württemberg werden junge Ausländer ab Herbst in die normale Polizeilaufbahn eintreten. Bedenken wegen des im vereinigten Europa obsoleten deutschen Beamtenrechtes hat man keine. Gibt es doch da einen Passus, der die Einstellung von Ausländern ausdrücklich bei „dringlichem dienstlichem Interesse“ erlaubt. Ob diese Maßnahmen das geforderte Vertrauen zwiherstellen kann, sei dahingestellt.

Noch bevor man sich in Stuttgart und Wiesbaden zur Einstellung von Ausländern in den Polizeidienst entschloß, begab man sich andernorts auf die Suche nach anderen Lösungsmöglichkeiten. In der Universitätsstadt Gießen schuf der dortige Polizeipräsident Manfred Meise schon im vergangenen Jahr das Amt der „Vertrauensperson für AusländerInnen“. In Gießen hatten sich vor allem farbige Ausländer über diskriminierendes Verhalten der dortigen Polizei beschwert. Von Schikane und diskriminierender Behandlung war die Rede. Der dortige Ausländerbeirat setzte sich mit der Polizeiführung zusammen und organisierte Zusammenkünfte zwischen Polizisten und Betroffenen. Mit Erfolg – wie beide Seiten betonen. Die Rekonstruktion der Vorwürfe der Migranten brachte zutage, daß bei ihnen sprachliche Defizite die Kommunikation mit der Polizei erschwerten. Bei den Polizeibeamten konstatierte man das Fehlen jeglicher Kenntnisse über die soziokulturellen Hintergründe und Lebensumstände der Ausländer in Gießen. Von seiten des Ausländerbeirates wurde an die dortige Polizeiführung der Wunsch herangetragen, in Seminaren für die Polizisten Themen wie Asyl, Einwanderung, Kultur und soziale Situation von Ausländern zu organisieren. „Das Ergebnis eines solchen Seminars zum Thema Asyl war“, so Sohrab Bahmani, Vorsitzender des Ausländerbeirates Gießen, „der berühmte Aha-Effekt“.

Dieses Experiment soll auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden, damit nicht nur die oberen und mittleren Ränge der Gießener Polizei informiert und aufgeklärt werden. Ziel ist es, auch etwas in den Köpfen des „kleinen Polizeibeamten“ vor Ort zu bewegen. In den Köpfen derjenigen, die tagtäglich auf Streife oder auf der Wache ihren Dienst tun und deren Bild über Ausländer nicht unbedingt positiv besetzt ist. Allerdings ist zu bezweifeln, ob diese Polizisten solche Informationsseminare tatsächlich auch wahrnehmen werden. Hansgeorg Koppmann von der hessischen GdP verweist darauf, daß die Gewerkschaft heutzutage Schwierigkeiten hat, Seminare, die sich dem Thema Ausländer oder Rechtsradikalismus widmen, überhaupt voll zu kriegen. Das Verhältnis Ausländer/Polizei ist als Problemfeld, so scheint es, erkannt, doch scheint sich die Politik dafür noch nicht ganz verantwortlich zu fühlen. Es obliegt dem Interesse des einzelnen aktiven und sensiblen Beamten, seine Oberen von der Notwendigkeit zur Information der Polizisten zu überzeugen. Ein Gesamtkonzept, das Problem zu lösen, gibt es bisher noch nicht. Nirgendwo. „Die Einstellung von sechs Polizisten in Frankfurt und Offenbach am Main ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Polizist Koppmann.