Die Zukunft der Seele

■ Hamburg gegen geplantes Psychotherapeuten-Gesetz

Unter der weißen Kuppel des alten, großen Hörsaales hatten sich rund sechshundert PsychologInnen versammelt, um mehr über ihre Zukunft zu erfahren. Doch im Uni-Hauptgebäude fand Freitagabend keine spiritistische Sitzung statt, sondern eine Großveranstaltung des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP), in der das neue Psychotherapeuten-Gesetz diskutiert werden sollte. Dieses Gesetz, das gravierende Änderungen für PsychologInnen und für KlientInnen enthält (siehe Kasten), soll 1996 in Kraft treten. Momentan müssen die Länder überlegen, ob sie den Gesetzesentwurf billigen, Anfang September entscheidet der Bundesrat.

Hildegard Esser, Psychiatriereferentin des hanseatischen Senats, kündigte an, das Land Hamburg werde dem Gesetzesentwurf in dieser Form nicht zustimmen. Ein Grund läge in der „sozialpolitischen Katastrophe der unsäglichen Selbstkostenbeteiligung“ der KlientInnen. Doch weder der BDP noch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie halten das für problematisch.

Die Verbände votieren für das Gesetz, sie interessieren sich hauptsächlich für die standesrechtliche Absicherung des PsychotherapeutInnen-Berufs. Denn es ist vorgesehen, die Bezeichnungen „Psychologische PsychotherapeutIn“ und „PsychotherapeutIn“ zu schützen: Bislang dürfen sich auch nicht Ausgebildete so nennen - der Scharlatanerie und der Konkurrenz sind keine Grenzen gesetzt. Dies möchte der BDP unterbinden. Doch nach dem Gesetzesentwurf würden auch ungefähr 1000 von den 8500 freiberuflichen Diplom-PsychologInnen diesen geschützten Titel nicht tragen dürfen: Sie arbeiten zwar nach wissenschaftlich anerkannten Methoden, erfüllen aber die Ausbildungs- und Arbeitsvorraussetzungen nicht, die das Gesetz vorsieht. Diese Gruppe dürfte ab 1996 ihren Beruf nicht mehr ausüben.

Doch scheitern wird das Gesetz wahrscheinlich deshalb, weil es eine universitäre Zusatz-Ausbildung zur PsychotherapeutIn vorsieht. Die Kosten dafür würden die Länder tragen müssen. Psychiatriereferentin Esser dazu: „Kein Bundesland wird auf einen Zug springen, wenn es nicht weiß, wieviel die Fahrkarte kostet.“

Annette Bolz