Rotstift pur bei SPD und CDU

■ Hamburgs Großparteien beschlossen ihre Wahlprogramme    Von F. Marten

„Aktion, das heißt gezieltes, planvolles Vorgehen. Insofern gäbe der Titel des Wahlprogramms der Hamburger SPD Anlaß zur Hoffnung. Begründet ist sie jedoch nicht. Im Gegenteil: das Ausmaß, in dem sich die SPD vor der Beantwortung ökologischer und sozialer Fragen drückt, ist erschreckend.“ Der Juso-Landesvorstand schlußfolgert: Die SPD biete den WählerInnen „Steinzeit-Positionen“ statt eines „klaren Reformprojektes“.

Der Programmparteitag der SPD im Curiohaus nahm diese Vorwürfe am Freitagabend erst gar nicht zur Kenntnis. Kein Wunder: Nicht einmal die Jusos selbst machten den Mund auf - sie verteilten ihre Thesen lediglich per Flugblatt. Diskussionslos nickten die gut 300 Delegierten ein SPD-Regierungsprogramm ab, das weit hinter die Beschlußlage der letzten Landesparteitage zurückfällt.

Mehr Mühe machte sich am Samstag die CDU bei ihrem Programmparteitag in der Handwerkskammer. Satte zwei Stunden diskutierten die Delegierten des Landesausschusses eine Fülle von Änderungsanträgen zu ihren 127 Programmpunkten. Einige Ergänzungen wurden zwar eingefügt - der einzig wirklich radikale Änderungsantrag wurde aber von Vorstandstisch und der grauhaarigen Delegierten-Mehrheit glatt abgebürstet. Die Junge Union hatte gefordert: „Wohnungsbau, Verkehr und Wirtschaft müssen auf die Gebiete beschränkt werden, wo dies ökologisch vertretbar ist.“

Zumindest die Wahlprogramme von CDU und SPD deuten schon heute auf eine große Koalition. In den zentralen Punkten stimmen CDU und SPD überein: Wachstumspolitik für die Wirtschaft, massiver Wohnungsbau, Erhalt der grünen Achsen, Straßenbau, Fahrradförderung, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Vertreibung der Hafenstraßen-Bewohner, Stadtentwicklung, welche Wohnen und Arbeiten wieder stärker zusammenführt, Vorrang für die Sanierung der Alster, aktive Sozialpolitik, Stärkung der Polizei, Privatisierung ... - Akzentunterschiede finden sich allein in den Formulierungen.

Deckungsgleich auch die größte Auslassung: Weder SPD noch CDU verraten, wie die Stadtkasse saniert werden soll. Daß nach der Wahl hier böse Überraschungen lauern, deuten beide gleichwohl indirekt an: Die Wahlprogramme von 1991 wurden für die 93er-Version massiv zusammengestrichen - eine Vielzahl von Versprechen fiel heraus. Betroffen bei beiden Parteien: Kultur, soziale Projekte und ökologische Vorhaben.

Die SPD: „Die kommenden Jahre werden auf vielen Feldern Selbstbeschränkung, kritische Fragen an öffentliche Dienstleistungen und tabufreie Diskussionen erzwingen.“ CDU-Kandidat Dirk Fischer: „Wir sind für die Selbstbeschränkung des Staates auf den Kern seiner Aufgaben.“ Kein Wunder, daß beide Parteien ihre konkreten stadtpolitischen Aussagen in diesem Wahlkampf noch stärker verstecken als jemals zuvor. Während Dirk Fischer in seiner bieder-bemühten Parteitagsrede wenigstens eine ganze Reihe konkreter Politikfelder streifte, kennen Henning Voscherau und seine Sozialdemokraten derzeit nur ein Thema: Die absolute Mehrheit und die gefährliche Dummheit, dieses segensreiche Regierungssystem in Hamburg abzuschaffen. Alles andere, so warnte Voscherau, wäre „ein destruktives Wahlergebnis“.

SPD-Parteichef Frahm forderte denn auch forsch: „Wir wollen die absolute Mehrheit ausbauen!“ Voscherau weiß, warum das gut ist: „Wir wollen diese Stadt beschützen. Diese rot durchgefärbte Wirklichkeit.“ Die Sozialdemokratie als natürliche Herrscherin Hamburgs und die gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerschaft als ihr solides Fundament - das ist Voscheraus Programm. Wenn die Medien es nicht senden, gibt es eben „Mundfunk statt Rundfunk“. Dirk Fischer resignierend: „In dieser Stadt ist alles durchsetzt vom Besitzdenken der SPD.“

Für Voscherau ist das erst der Anfang: An Hamburg soll die Republik genesen. Als politischer Neffe Helmut Schmidts will er zusammen mit Cousin Rudolf Scharping die deutsche Sozialdemokratie der 90er Jahre in Deutschland prägen. Altvater Helmut Schmidt, so jubelte Voscherau, steigt deshalb sogar persönlich von seinem Reihenhaus-Olymp in Langenhorn herab: „Helmut Schmidt unterstützt unseren Wahlkampf wie seit 1981 nicht mehr. Ich habe für ihn einen Senatorenposten z.b.V. reserviert, zur besonderen Verwendung.“ Vetter Scharping ganz enthusiasmiert: „Henning ist ein Glücksfall für Hamburg. Und Glück soll man festhalten.“