■ Stadtmitte
: Biedersinn trimmt die Vergangenheit

Natürlich bin ich für den Erhalt des Thälmann-Denkmals im Thälmann-Park. Schon weil es an die Proteste gegen seine Aufstellung erinnert. Vielmehr an die Gasometer, trotz des Status „Industriedenkmal“ im August 1984 weggesprengt. Zahlreiche Eingaben, Fotoserien und Collagen hielten dagegen, beinahe wäre sogar eine Demonstration zustande gekommen. Der Thälmann-Park war das Prestigeobjekt inmitten des als schmuddelig verrufenen Stadtbezirks Prenzlauer Berg. Der sollte ein neues Zentrum erhalten. Thälmanns Kopf, an einen gelifteten Lenin erinnernd, war nur ein Detail des architektonischen Planspiels. Davor und dahinter keine Riesenplätze für Massenkundgebungen, sondern Spazierwege, Mini-Gewässer, Hügel-Imitationen. Die DDR der achtziger Jahre bildet sich ab, vom Lenin-Platz zum Thälmann- Park kann der Wandel im repräsentativen Anspruch einer Ideologie abgelesen werden. Ein Lenin-Platz minus Lenin wird zu keinem Platz, der den Namen „Platz der Vereinten Nationen“ verdient. Und Thälmanns Entfernung wäre so aufwendig wie inkonsequent.

Natürlich kann man es sich mit den größeren bildnerischen Hinterlassenschaften der DDR sehr einfach machen: Was provoziert, kommt weg – der Rest bleibt. Da bleibt vor allem Durchschnitt, die auf bescheideneres Maß gezähmten Zeugen einer Haltung. Biedersinn trimmt die Vergangenheit. Eine Variante der Vergangenheitsbeschönigung aus Wut über sie. In diesem Sinne, vielmehr: gegen diesen, fände ich den Lenin am Lenin-Platz und den Thälmann in nicht nur seinem Park wichtiger für Besucher und Nachwachsende als die beiden müden Rentnerbildnisse, die sich Marx und Engels nennen, aber als fiktive Max-und-Moritz-Figur (eines altgewordenen und resignierten Anarchistenpaares) genausogut in Baden-Baden den Brunnen vor dem Hotel Steigenberger schmücken könnten.

Längst hätte die Stadtschloßimitation im Text auftauchen müssen. Ich greife die Anregung ihrer Macher auf: so tun, als ob. Ich tue, als ob sie nicht vorhanden sei. Auch sie wird den Bonnern das flaue Gefühl nicht nehmen, daß sie nach Berlin ziehen müssen, wenn sie nach Berlin ziehen müssen. Da hilft es nicht, am Alex in eine Hochhaus-Zukunft zu flüchten. Was hilft da überhaupt?

Eine hinreichend große Fläche vollständig abreißen, so ließen sich nebenbei Kreuzberg und Prenzlauer Berg als Erscheinungsbild beseitigen. Und in die Riesenlücke detailgetreu Bonn hineinbauen. Es muß ja nicht alles ganz echt sein... Die alte Bundeshauptstadt als Riesendenkmal mit Wohn- und Arbeitsqualität. Und die Frage scheint gelöst, wie sich Politiker die vertraute Bonner Überschaubarkeit nicht nehmen lassen müssen, wenn sie schon in Berlin regieren müssen. Lutz Rathenow