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: Floskelschwall

„Mal ehrlich... Herr Diepgen“, B 1, Freitag, 18.55 Uhr

Das Recht der Erstsendung hat im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Landesvater. Und so war der Regierende CDU-Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen – „natürlich“, wie im Pressetext vermerkt – auch der erste Gast der neuen Interview- Sendung im Dritten des SFB. Um zupackende journalistische Glaubwürdigkeit bemüht, präsentierte sich nicht nur die Studiomöblierung mit drei kargen Stehpulten im Kreuzfeuer-Arrangement. Auch bei der Auswahl der Interviewer hatte man vorgebaut. Diesmal sollte nicht „Diepgens Mikrofonständer“, der aus der SFB-„Abendschau“ bekannte und berüchtigte CDU- Sympie Hans-Joachim Lorenz, einschleimende Fragen stellen. Aufgeboten waren der sozi-angehauchte SFB-Fernsehdirektor Horst Schättle höchstselbst und der dpa-Journalist Hannes Bahrmann.

Man startete mit einer Art elektronischem FAZ-Fragebogen, in dem Diepgen offenbarte, daß er sich selbst als groß und blond beschreiben würde und vor eineinhalb Jahren zum letzten Mal mit seiner Frau im Kino war. In „Kevin allein zu Haus“. So furios ging's weiter. Statt konkrete Mißstände in der Stadt aufzugreifen, stellte das Interviewer-Duo einen Katalog sattsam bekannter Fragen im soften Suggestiv-Stil der Leichtathletik-WM („Wie fühlen Sie sich jetzt?“).

Ob Regierungs-Umzug oder Arbeitslosigkeit (Ost): Ständig durfte Diepgen sich „im Kern optimistisch“ zeigen und geistig- moralischen Sphären ausweichen. „Mich belastet das Gegeneinander“, schwallte er vereinigend oder lobte Parteifreunde: „Schäuble hat's vorangebracht.“ Die Medien sollten mehr Einklang liefern: „Wir müssen helfen durch Darstellung.“

Ja: Diepgen stellte dar. Da nutzte auch Schättles und Bahrmanns penetrant wiederholte fragende Vor-Floskel „Mal ehrlich...“ nichts. Selbst das höchst schüchterne Nachhaken des dpa- Manns wurde noch durch die Kamera neutralisiert, die immer hübsch breit auf Diepgen blieb. Das war nicht einmal ein „Lauwarmer Stuhl“, und der Schluß- Gag ging auch noch in die Hose: „Raten Sie mal das Thema unserer Schlußfrage“, witzelten die beiden Fragesteller, und der Regierende riet prompt richtig: Olympia 2000. „Et voilà!“ freute sich da der frankophile Schättle, und Bahrmann steuerte ein berufsjugendliches „Bingo!“ bei. Wow! kotte