„Am Willen mangelt es“

■ Litauisch-russische Verhandlungen über Truppenrückzug vorerst gescheitert

Moskau (taz) – Unvorhergesehene Komplikationen bei den Verhandlungen über den Truppenabzug zwischen Rußland und Litauen haben am Sonnabend zu einem vorzeitigen Abbruch der bilateralen Gespräche geführt. Das Außenministerium in Moskau ließ mitteilen, daß es der „litauischen Seite leider an Willen mangele, die Angelegenheit bis zur Unterzeichnung voranzutreiben.“ Und weiter: „Der Abzug der russischen Truppen aus Litauen wird vollzogen, nunmehr allerdings innerhalb der Fristen, die der russischen Föderation angenehm sind.“ Doch während das Außenministerium die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen allein auf der Seite Litauens sieht, fragen politische Beobachter, ob Moskau tatsächlich in der Lage ist, den „Willen“ Rigas objektiv zu beurteilen. Vielmehr könnten die litauischen Forderungen als Vorwand für den erwünschten Stopp des Truppenabzugs herangezogen werden. Dieser Stopp wiederum dürfte jedoch weniger mit russischem Großmachtstreben als finanziellen und anderen Problemen bei der Rückführung der Soldaten erklärt werden. Generalmajor Majorow: „Wir sind dazu einfach physisch nicht in der Lage“.

Wie auch andere Staaten im Ex- Ostblock verlangt die litauische Regierung Reparationen für den von russischen Truppen verursachten ökologischen Schaden. Aber im Unterschied zum Procedere in Osteuropa hatte Rußland seinen Abzug aus dem Baltikum schon eingeleitet, als die heute zur Diskussion stehenden litauischen Forderungen noch gar nicht erhoben worden waren. Litauen dagegen bestreitet, als Kompensation eine Zahlung von 146 Millionen Rubeln gefordert zu haben. Eigentlich wollte Litauens Präsident Brazauskas dieser Tage nach Moskau kommen, uiele betrachteten dies als Unterstützung für Boris Jelzins Kampf um die Macht. Nun hat Brazauskas den Besuch abgesagt. Barbara Kerneck