Mike Krüger minnt Irene Sheer

■ Music Theatre London mit „Cosi Fan Tutte“ als Boulevard-Singspiel in den Kammerspielen

Mike Krüger (Peter Corry) und Peter Kraus (Simon Butteriss) kommen vom Tennis, stehen unter der Dusche und preisen die Treue ihrer Verlobten. Wim Thoelke (Richard Hampton), hier in der Rolle des Fra Diavolo, verspottet sie ob ihrer jugendlichen Naivität und provoziert sie zu der Wette, daß die verkleidete Buhle bei der Geliebten des jeweils anderen unzweifelhaft zum Erfolg führen wird, denn: „Mit der Treue der Frauen ist es wie mit der Glaubwürdigkeit der Politiker - es ist ein Widerspruch in sich.“ (Großes Gelächter in den Kammerspielen). Übermütig willigen Kraus und Krüger ein.

Nächste Szene: Mary Roos (Jacinta Mulcahy) und Irene Sheer (Mary Lincoln) befinden sich am Zaun eines Faller-Spielzeug-Flughafens und preisen ihre Kerls. Da kommt der Thoelke. Geschickt täuscht er die Mädchen mit der Nachricht, ihre Soldaten müssen in den Krieg, um so die Hörnung der armen einzuleiten. Mike verabschiedet sich von Mary und Peter von Irene, nur um später als GIs auf Freigang ihre böswillige Minne zu beginnen. Auch eine Shirley McLaine als Irma LaDuce (Marilyn Cutts) spielt mit und webt die Intrige auf der Frauenseite.

Davor sitzen sechs Musiker, die eine arg lausige Vorstellung abliefern. Lange haben sie geübt, um Mozarts Oper Cosi Fan Tutte als Sextett zu spielen und gleich in den ersten sechzehn Takten der Ouvertüre versemmeln sie alle Einsätze und gönnen sich einige Viertelton-Verschiebungen, die vielleicht als Schmutzflecken in der Partitur standen, da aber mit Sicherheit nicht hingehören.

Doch ansonsten ist alles professionell, britisch und boulevard. Die mittlerweile dritte Musicalisierung von Mozart-Opern durch Nick Broadhurst und sein Music Theatre London in den Kammerspielen erweckt beinahe das Gefühl, das durch Serien im Fernsehen ensteht. So schmuck, flott und dünn wie Broadhurst die Komische Oper als gesungene Komödie inszeniert könnte sie in jedem Privatkanal zur besten Sendezeit dem Coach-Potato ein Gefühl von „Kultur“ vermitteln.

Alle amouröse Raffinesse des Orginal-Librettos von Lorenzo da Ponte wird in Anzüglichkeiten und Fäkal-Witzchen übersetzt, damit auch der Spießer lachen kann, der die Kammerspiele mit seinem Besuch retten soll. Und das tut der dann auch ganz kräftig. Chauvinismen verlieren im Schenkelklopfen die letzten Spuren von Ironie, mit denen da Ponte stilsicher zu händeln wußte, und die eigentliche Moral der Geschichte, nämlich „Lerne die Lust zu akzeptieren und du wirst die Liebe verstehen“, verstirbt im Boulevard-“Cosi Fan Tutte“. So tun es eben alle, die Geld verdienen wollen.

Hier geht die Lord-Extra-Generation ihren Weg zur ernsthaften Konkurrenz mit der Komödie im Winterhuder Fährhaus und das Volk, das von Sexismus eh nichts weiß, hat endlich die Oper, die es verdient.

Till Briegleb