Sanfte Zukunft in weiter Ferne

■ Die Zeitschrift „Politische Ökologie“ widmet sich im neuesten Heft dem Evergreen-Thema „Sanfter Tourismus“

Hat der sanfte Tourismus eine Zukunft? Für die 14 Experten, die sich unter dieser Fragestellung in der Juli/August-Ausgabe der Zeitschrift Politische Ökologie äußern, ist die Antwort sonnenklar: Es geht weiter. Immerhin gibt es einige Erfolge zu verzeichnen: beispielsweise die Tourismusentwicklung im Biosphärenreservat Rhön. Dieter Popp vom BUND berichtet über ein Konzept, das die Einrichtung eines großräumigen Schutzgebietes mit einer naturbezogenen touristischen Entwicklung gekoppelt hat. In dieser „Bündnisstrategie“ zwischen Landschaftspflege und Tourismus sieht auch Mathias Behrens-Egge einen zukunftsweisenden Ansatz: die touristischen Anbieter müßten „ihre Interessen an einer Sicherung und Entwicklung der Erholungslandschaft erkennen“. So ließe sich aus einem „touristischen Eigeninteresse heraus eine aktive Umweltschutzstrategie betreiben“. Im „Idealfall“ nämlich, rekapituliert Herbert Hamele das Ziel des sanften Tourismus, gewährleiste er für die Beteiligten das Optimum: „Für die Urlaubsregion eine optimale wirtschaftliche Wertschöpfung, ... und für die Urlaubsgäste eine optimale Erholung und einen optimalen Bezug zum Alltag.“

Mit naturverträglichen Angeboten, mit neuen Bündnispartnern aus dem Naturschutz, mit der Einführung eines touristischen Gütesiegels für ökologische Fremdenverkehrsgemeinden (über den „Grünen Koffer“ berichtet Bernd Räth) hat sich sanfter Tourismus auf dem touristischen Markt etabliert. Aber man will nicht bei sanften Projekten stehenbleiben. Für Herbert Hamele ist generell „wirtschaftliches Wachstum nur noch dann zu rechtfertigen, wenn gleichzeitig die Gesamtbelastungen nicht nur relativ, sondern auch absolut abnehmen“. So fordert er in seinem Beitrag auch den Gesetzgeber auf, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die professionellen Urlaubsverkäufer werden jedoch alles daransetzen, „um die Unantastbarkeit des Themas Reisen zu erhalten“. Klaus Betz beschreibt, wie geschickt die Konzerne ihre Kritiker ausgetrickst haben, um uneingeschränkt weiter zu expandieren. Den potentiellen Urlaubern sendet man jetzt selbst „Öko-Signale“ nach dem Motto „Seid unbesorgt ... wir kümmern uns um jeden Dreck“. Der Umweltexperte der TUI, Wolf Michael Iwand, weist es zwar weit von sich, ökologische PR für seinen Arbeitgeber zu betreiben – laut Betz gibt aber gerade die TUI das beste Beispiel dafür ab, wie Konzerne „das Öko-Marketing zum Verkaufsinstrument gemacht haben und ihren Kritikern auf der grünen Überholspur davongefahren sind“. Daß sich die Wachstumsspirale ungebrochen weiterdreht, geht auch aus der Analyse von Helmut Scharpf zu den neuen Freizeittrends hervor.

Trotz aller Erfolgsmeldungen aus dem sanften Lager, so im Heft zu lesen, liegt die sanfte Zukunft noch in weiter Ferne. Aber nicht allein der industrielle Wachstumstrend nährt Zweifel an dieser Zukunft, sondern auch die Meßlatte, die sanfte Reisende an sich selbst anlegen: „Strenggenommen können nur Rad- oder Wanderreisen vor der eigenen Haustüre (also ohne Anreise per Auto oder Flugzeug) als sanfte Reisen gewertet werden“, heißt es bei einem sanften Reiseveranstalter (von Betz zitiert). Mit anderen Worten: Die sanfte Lösung liegt letztendlich im Reiseverzicht. Das Heft schließt (folgerichtig?) mit einem „verhaltensbiologischen Konzept gegen die Sucht des Reisens“. Christel Burghoff

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