■ Israels Außenminister sorgt für Aufregung
: Größere Spielräume

Der israelische Außenminister Schimon Peres hat ein Gespür für gutes Timing. Am Donnerstag erklärte er gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN, Israel sei bereit, den Gazastreifen und die in der Westbank gelegene Stadt Jericho an die Palästinenser zurückzugeben. Fast gleichzeitig begann in Tunis eine Krisensitzung des Exekutivkomitees der PLO, auf der über Sein oder Nichtsein der Führung um Jassir Arafat debattiert wird. In Beirut trafen sich gestern Vertreter Syriens, Jordaniens, Libanons und der Palästinenser, um sich für die am 31. August in Washington beginnende elfte Runde der Nahostgespräche abzustimmen. Peres' Äußerung dürfte auf beiden Versammlungen für Erregung gesorgt haben.

Doch der Vorschlag ist so neu nicht. Die regierende Arbeiterpartei will den ungeliebten Gazastreifen schon seit Jahren loswerden. Das Angebot einer palästinensischen „Selbstregierung“ für Jericho ist jünger, aber auch schon einige Monate im Gespräch. Die Tatsache, daß Peres es jetzt medienwirksam wiederholt, deutet aber darauf hin, daß die israelische Regierung ernsthaft daran interessiert ist, im Laufe der kommenden Gespräche den Status quo in Teilen der besetzten Gebieten zu verändern.

Die Aufgabe Jerichos bedeutet für Israels Regierung kein übermäßiges Opfer. Die Stadt liegt nahe der jordanischen Grenze und hat keinerlei strategische Bedeutung. In ihrer Nähe befinden sich keine israelischen Siedlungen. Aus israelischer Perspektive ist der Vorschlag dennoch brisant, weil die Regierung in West-Jerusalem damit zum erstenmal seit der Rückgabe des Sinai an Ägypten die Kontrolle über einen Teil der 1967 besetzten Gebiete aufgeben würde.

Zusätzliche Dramatik erhält der Vorschlag dadurch, daß er von Jassir Arafat als Zwischenlösung akzeptiert wird. Der PLO-Chef muß sich wegen dieser Position in Tunis zur Zeit gegen den Vorwurf wehren, die palästinensische Sache zu verraten. Vor allem Palästinenser aus den besetzten Gebieten fürchten, Arafat versuche sich auf ihre Kosten als Verhandlungspartner Israels zu profilieren. In der PLO heißt daher die Losung „Gaza und Jericho zuerst“, was die Forderung impliziert, daß Israel später weitere Teile der Westbank an die Palästinenser zurückgibt. Ein solcher Prozeß würde langfristig zur Gründung eines palästinensischen Staates führen. Diese Perspektive wird von der israelischen Regierung bisher vehement abgelehnt. Die aktuelle Harmonie zwischen Peres und Arafat zeigt aber, daß in dem israelisch-arabischen Konflikt größere Spielräume existieren, als noch vor einigen Monaten angenommen wurde. Thomas Dreger