■ Die Kinkel-Initiative wurde in den Sand gesetzt
: Katastrophale Fehler

Fehler werden an Fehler gereiht: die Bundesanwaltschaft leitet neue Verfahren gegen RAF-Gefangene ein, die ohnehin schon zu lebenslanger Haft verurteilt wurden; der Bundespräsident nimmt die informell bereits zugesagte Begnadigung des schwererkrankten Häftlings Bernd Rößner wieder zurück; der Antrag des RAF-Gefangenen Wisniewski, nach 15 Jahren Haft vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen zu werden, ist abgelehnt. Die Initiative, die Klaus Kinkel zu einer Beendingug des RAF-Terrorismus im letzten Jahr gestartet hatte, ist vor allem von den Strafverfolgungsbehörden grandios sabotiert worden. Es ist müßig zu spekulieren, ob ursächlich dafür der mangelnde politische Wille, simple Ignoranz oder übersteigerte Fahndungserwartungen, die sich auf den V-Mann Klaus Steinmetz stützten, verantwortlich sind.

Die Ergebnisse des geballten Unverstandes lassen sich aus dem neuesten Brief des Gefangenen Helmut Pohl ersehen. Er konstatiert ein Scheitern dessen, was Gefangene und RAF als „Zäsur“, als Versuch einer politischen Neubestimmung der RAF bezeichneten. Nur zu diesem Zweck hatte die RAF den Verzicht auf „gezielt tödliche Aktionen gegen führende Repräsentanten von Staat und Wirtschaft“ erklärt. Pohl lüftet in seinem Schreiben das Geheimnis, daß dieser Vorstoß nicht eine Initiative der RAF im Untergrund, sondern eine der RAF-Gefangenen war. Nun ziehen sich die InitiatorInnen resigniert zurück und orakeln: „Die bewaffnete Aktion und die Militanz wird einfach in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Konfrontationen und in allen möglichen Formen stattfinden. Egal, was die RAF und die Gefangenen sagen.“ Die Prognose wird durch die blutige Schießerei in Bad Kleinen gestützt. Die Erschießung des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams und deren nach wie vor ungeklärte Umstände bilden den Stoff für die Legenden, mit denen neue Mitglieder für den Untergrund rekrutiert werden.

Daß mit diesem Scheitern der „Zäsur“ eine vielleicht einmalige Chance für ein Ende des RAF-Terrorismus verspielt wurde, dämmert inzwischen selbst manchem innenpolitischen Hardliner. Darüber sollte nicht hinwegtäuschen, daß Helmut Pohl den Zerfall des Gefangenenkollektivs konstatiert, wie er auch herbe Kritik an den Illegalen der RAF übt.

Wenn in dieser Situation Sprücheklopfer, wie etwa der sächsische CDU-Justizminister Steffen Heitmann, erklären, sie hätten von der Kinkel-Initiative sowieso nie viel gehalten, dann trägt das höchstens dazu bei, der anachronistischen Auseinandersetzung zwischen RAF und Staat neues Leben einzuhauchen. Ohne Not verbaut derlei eitle Geschwätzigkeit die allerletzten Chancen, den Deeskalationsprozeß wieder in Gang zu bringen. Wolfgang Gast